Die Buchhandlung im Zeitalter ihrer wirtschaftlichen Zwecklosigkeit

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich über den Verlag im Zeitalter seiner wirtschaftlichen Zwecklosigkeit geschrieben. Dabei ging es um die Problematik, wie ein Verlag noch eine wirtschaftliche Existenzberechtigung hat, wenn Informationen über das Internet kostenlos und in Sekundenbruchteilen weltweit verteilt werden können.
Die selben Fragen müssen sich eigentlich auch Buchhandlungen stellen. Zwei konkrete Antworten für die Buchhandlung der Zukunft möchte ich hier behandeln.

Eigentlich gibt es keine wirtschaftliche Notwendigkeit mehr, in eine Buchhandlung zu gehen. Und wenn man genau hinsieht, hat es sogar einige Nachteile:
1) Man muss, ob man will oder nicht, das Haus verlassen um zu ihr zu gelangen. (Nichts gegen das Hausverlassen an sich, aber was, wenn man gerade nicht will?).
2) Man muss mit den Angestellten reden, die oft nur auf den Feierabend oder die Pension warten und gar nicht freundlich sein möchten. (Sicher gibt es hier Ausnahmen. Ich selber habe jedoch einmal in einer Buchhandlung gearbeitet und kenne daher die Situation). Umgekehrt möchte man oft selber momentan nicht freundlich sein. Und zwei Leute, die gerade eigentlich nicht miteinander reden möchten aber müssen, produzieren nicht gerade angenehme Situationen.
3) Das Buch ist in der Buchhandlung sowieso nicht verfügbar. Es muss bestellt werden, man kann wieder nachhause gehen, drei Werktage oder länger warten und dann muss man wieder Punkt 1 und 2 durchmachen.

Die größte Konkurrenz der Buchhandlungen sind Onlineshops wie Amazon. Oben genannte Nachteile sind online kein Problem und es gibt enorme Vorteile wie Zeitersparnis, leichtere Auffindbarkeit der Titel, größeres Sortiment, Kundenrezensionen,...

Erst kürzlich befand ich mich in einer Buchhandlung. Die meisten dieser Geschäfte haben ein so ausgeklügeltes Sortiersystem, dass man sich gezwungenermaßen an einen Mitarbeiter wenden muss, um etwas zu finden. Als Mitarbeiter einer Buchhandlung muss man immer beschäftigt wirken, auch wenn es gerade nichts zu tun gibt. Nachdem ich mich also überwunden hatte, den Mitarbeiter bei seiner "Arbeit" zu stören und eine kurze Frage zu stellen, bekam ich nur die knappe Antwort: "Nein." Weder ein Alternativvorschlag, noch eine Nachfrage, ganz zu schweigen von einem Zeichen an Hilfsbereitschaft. Das nächste Mal für mich also doch wieder Amazon.

Ich denke, dass ich nicht der einzige bin, der so denkt. Und ich denke, dass eine ganze Generation aufwächst, die mit dem Internet umgehen kann und für die die alten Vertriebswege hinfällig werden. Dies könnte ein wirkliches Problem für traditionelle Buchhandlungen werden. Sie steuern ihrer wirtschaftlichen Zwecklosigkeit entgegen.
Das konnte man bei den meisten Geschäften dieser Art in den letzten Jahren sowieso schon beobachten. Wenn man wirtschaftlich zwecklos wird, kann man zusperren. Übrig blieben nur die, die sich auf etwas spezialisiert hatten. Manche spezialisierten sich auf die Größe des Verkaufslagers, andere auf die Lage ihrer Läden.

Und das ist etwas, was sich Buchhandlungen verstärkt fragen sollten: Welchen Zusatznutzen kann ich einem Kunden noch bieten? Was sind die Nachteile des Internethandels und wie kann ich sie zu meinem Vorteil verwenden (z.B. die beste Kundenorientierung von Angesicht zu Angesicht)? Was ist in einer Welt, in der Informationen eigentlich nicht mehr knapp sind, noch selten (denn damit kann man noch Geld verdienen)?

Zwei Zusatznutzen, die ich mir schon lange von Buchhandlungen wünsche, möchte ich hier vorschlagen:

Ein Nachteil von Onlineanbietern ist, dass es meistens an die drei Tage braucht, bis man das Buch in seinen Händen hält. Das Gehen zu einer Buchhandlung dauert meist nicht länger als eine halbe Stunde. Buchhandlungen könnte das einen Vorteil bringen.
Praktisch hierzu wäre es, wenn ich online einsehen könnte, ob ein Buch nicht eventuell in der Buchhandlung um die Ecke vorrätig ist. Ich empfehle also, den Lagerbestand online einsehbar zu machen.
So könnte ich mir ein Buch schon online hinterlegen lassen, sofort hinfahren, und es so in wenigen Minuten in den Händen halten. Der Weg in die Buchhandlung wäre nicht umsonst, weil ich weiß, dass das Buch aufliegt. Und die Versandkosten, die bei Online-Anbietern anfallen, könnte ich mir auch ersparen.
Per Telefon bieten dies Buchhandlungen schon an, warum nicht auch über das Internet?
Transparenz in dieser Art braucht natürlich Mut. Damit nicht die Konkurrenz über den Lagerbestand bescheid weiß, könnte man ja nur angeben, dass ein Exemplar aufliegt, nicht wieviele. Als Kunde könnte man sich zusätzlich ein viel besseres Bild schon im Vorhinein machen, ob die Spezialbuchhandlung wirklich in die Richtung spezialisiert ist, die man braucht.
Also: Ins Internet mit dem Lagerbestand!

Der zweite Vorschlag wäre, die Informationssysteme (also Computer), die den Mitarbeitern im Geschäft zur Verfügung stehen, auch den Kunden zugänglich zu machen. So müsste man, wenn man vor Ort ist, nicht mehr nachfragen sondern könnte selber nachschlagen, ob das betreffende Buch aufliegt und eventuell in welcher Abteilung. Man müsste ja nicht alle PCs zugänglich machen sondern könnte eine Kundenmaschine bereitstellen. Die Mitarbeiter wären entlastet und könnten sich anderer Arbeit, wie zum Beispiel besserer Beratung widmen. (Bzw. würden böse Zungen hier anmerken, dass man auf diese Art auch Personalkosten einsparen könnte).

Zukunftsmusik wäre natürlich die Implementierung von RFID-Chips in die Bücher, um sie sowohl für Mitarbeiter als auch für Kunden auffindbar zu machen, aber das wäre eine andere Geschichte.

Natürlich müssten solche Implementierungen auch beworben werden, damit Kunden von ihrer Existenz erfahren.

Ich hoffe, dass einige mutige Buchhandlungen meine ersten beiden Vorschläge anwenden und andere, noch weiter gehende Ansätze entwickeln. Bis dahin heißt es für mich und eine ganze Generation: Amazon.

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Ebenfalls zum Thema: Die Zeitung im Zeitalter ihrer wirtschaftlichen Zwecklosigkeit

Kommentare

  1. Super Analyse. Ich habe mich schon vor vielen Jahren gefragt, warum ich eigentlich in eine Buchhandlung gehen soll. Ich habe damals nach einem Buch gefragt, habe 14 Tage Lieferzeit erhalten und habe es dann über Amazon nach 3 Tagen in der Hand gehabt und war jederzeit informiert, wo es sich gerade befand (schon weggeschickt usw).
    Ich war auch tatsächlich seit damals in keiner Buchhandlung mehr (mit ganz wenigen Ausnahmen) - sehe mich aber als (potenziell) guten Kunden: ich kaufe viele Bücher.
    Dass Buchhandlungen nicht schon lange Deine Vorschläge umgesetzt haben spricht nicht wirklich für deren Überlebensfähigkeit. Es wäre aber höchste zeit, dann würde ich wieder in Buchhandlungen gehen, weil ich gerne SOFORT ein Buch haben will. Und das kann Amazon nicht leisten. Aber die von Dir beschriebene Tortur tu ich mir nicht an, wenn ich nicht sicher bin, dass ich es bekomme.

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