Über den Wandel

Auf einmal macht die begonnene Reise Sinn. Es ist klar, dass man reisen kann, ohne physisch den Ort zu wechseln. Die Transportwirte verkennen mit ihrer Definition ("Verkehr ist Ortsveränderung") diesen Umstand. Wenn man von den Kategorien Ort und Zeit absieht, so kann man nur reisen und gleichzeitig stillstehen.


Kant musste das vollzogen haben, wenn er über die transzendentalen Strukturen, über Freiheit und über Autonomie schrieb. Denn transzedere heißt ja überschreiten, übersteigen. Er machte also eine Reise und das, obwohl er Königsberg fast nie verließ. Er konnte diese Gedanken gehen, diese wichtigen Entdeckungen machen, gerade weil er sich nicht der oberflächlichen, empirischen, offensichtlichen Reise, die so viele Menschen tagtäglich tun, hingab. Er reiste ins Innere, aber nicht im Sinne eines topographischen Inneren.

Reisen abseits von Ort und Zeit, sich bewegen, obwohl man ruht, das ist die Devise. Man könnte es mit dem Nirwana vergleichen, wo man je schon mit allem verbunden ist, also sich nicht mehr bewegen braucht, weil man schon da ist. Und das kann man überall und jederzeit machen, wenn man will. Führt diese Reise wohin? Oder ist sie schon vollzogen, sobald man sie antritt? Diese Fragen sind offensichtlich falsch gestellt. Denn sie setzen wiederum Raumbewegung abhängig von der Zeit, mithin km/h voraus. Doch davon wollen wir absehen.

Kann man mit dieser Reise antizipieren, wohin auch die realen Reisen, sprich unser Zeit- und Raumkontinuum, hinzeigen? Information und Wissen wird immer schneller und an immer mehr Orten verfügbar. Reisen wird immer schneller, immer leichter. Früher brauchte man Wochen, um durch Europa zu reisen. heute reise ich in wenigen Stunden um die ganze Welt. Diese Entwicklung führt uns dahin, dass Ort  und Zeit zusammenfallen werden. Dass ich alles sofort machen, alles jetzt bekommen, alles aktuell wissen kann. Der Endpunkt der Zivilisation, das schon so oft proklamierte Ende der Geschichte, die finale Zeit, Armageddon und Genesis zugleich. Können wir das im Jetzt, da es physisch noch nicht erreichbar ist, dennoch gedanklich vollziehen? Die Antwort müsste lauten: Wir haben es schon je vollzogen, weil der Zeitpunkt keine Rolle mehr spielt dabei. Wir sind mit dem Endzustand, mit dem Sanktnimmerleinstag, mit dem Nullpunkt immer schon verbunden. Wir sind eben einerseits empirische, andererseits intelligible Wesen.

Spannend: In dieser Welt, diesem Zustand können wir auch die anderen Wesen erkennen, von denen Kant ebenfalls spricht. Denn er spricht klar von verschiedenen vernunftbegabten Wesen und nicht nur vom Menschen.

Vernunft - Bedeutet Vernunft im strengen Sinne nicht genau Endpunkt dieser vollzogenen und gleichzeitig nie angetretenen Reise zu sein? Und ist dias Ende der Vernunft wirklich das Massengrab, wie es Stephen King in "The Stand" überraschend klar formuliert? Ja. Denn an diesem Punkt verliert das Leben seine Bedeutung, man sieht ins ewige Licht, klettert die platonische Höhle empor zur Sonne, Leben und Tod fallen als unbedeutend gewordenes Paar zusammen, ebenso wie der Gegensatz von gut und schlecht. Deshalb ist dieses Massengrab auch nicht zu bedauern oder zu fürchten.

Diese Reise ins innerste ist auch deshalb wichtig, weil es die kleinen Dinge sind, die wichtiger sind! In jedem Augenblick oder besser: In weniger als jedem Augenblick entscheidet sich das Wichtige, passiert das Jetzt. Das meinen vermutlich die Buddhisten, wenn sie darüber reden, alles bewusst zu machen. Alles wird zu uns kommen und wir werden immer genug haben. Jetzt müssen wir die Welt verändern. Und diese Veränderung beginnt bei uns, nein, sie hat schon begonnen, weil es bei dieser Veränderung keine Zeit gibt, weil sie der Ort ist, wo wir hin wollen, weil sie alles das zusammenfasst und ausspeit, was vorher geschrieben wurde. Die Veränderung, der Wandel, in seiner wandelnden Form, welche ist, aber gleichzeitig auch isomorph nicht ist, weil sie alle Gegenstände und auch Gegensätze in sich vereint, aufhebt und gleichzeitig bewahrt. Und diese Veränderung sind wir schon und noch nicht, bist du immer schon gewesen und wirst nie sein, sind wir überall und nirgends unddoch treffen wir uns da, wo der Sinn den Unsinn und den Wahnsinn gleichsam mit den Sinnen berührt, also bei jenem goldenen Dreiländereck, das zwischen Himmel und Hölle liegt und die beiden vereint.


Die persönlichen Kämpfe um ein sinnvolles Leben, der Geldsuchtgedanke, das Suchen nach einer adäquaten Geldtheorie sind verbunden, ebenso wie die gesellschaftlichen Traumata, die mit Geld verbunden sind. Das alles auf einmal muss gelöst werden! Lösen wir es für uns, lösen wir die Geldproblematik theoretisch, so löst sich auch die gesellschaftliche Fokussierung auf die Rendite. Das ist nicht kausal, sondern nur gleichzeitig zu sehen. Es ist der globale Bewusstseinswandel! Nichts gehört uns. Die Mittel, die uns gegeben werden, gehören der Transformation. Sie sind Mittler, Werkzeuge, die dem Zweck dienen. Alles, was uns gegeben wird, sollten wir diesem Zweck geben, nämlich dem Wandel, dem Positiven, dem Fortbestand, der Transition, dem Transzedere, dem Hinaufschreiten. So wie bei Geld. Es bringt nichts, wenn es bei uns bleibt. Aber richtig ausgegeben kann es viel verändern, denn die Leute halten es für sehr mächtig.

Dieser Zeck, dieser Wandel, ist nicht inhaltlich da, erfahrbar. Denn diese Inhalte entstehen erst in uns. Das Inhaltslose ist es, was uns leitet und es muss inhaltslos sein, weil wir als Menschen nur am Inhalt festhalten. Der Inhalt entsteht in uns. Aber der Wandel entsteht nicht in uns. Er ist wir. Der Wandel sind wir!

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