Kunstprojekt zur Förderung der Geschenksökonomie:
Mit Stolz kann ich ein Projekt präsentieren, an welchem ich schon seit geraumer Zeit arbeite. Es ist dies ein Kunstprojekt, welches sich mit dem Thema Geschenksökonomie und Kapitalismus mulitmodal beschäftigt.Die Bausteine des Projekts:
Folgende Bausteine machen es zu einem Gesamtkunstwerk: Die Bilder selber sind Leinwände, die ich besprayt habe. Die Themen der Bilder sind alle in Anspielung an die Verfassung unseres derzeitigen Wirtschaftssystems angelehnt. Als Ort der Aufhängung habe ich gezielt Plätze in der Stadt ausgesucht. Es wurde absichtlich der öffentliche Raum gewählt, um den gesamt-gesellschaftlichen Zusammenhang zu unterstreichen und um auf die faszinierende Idee der Streetart zurückzugreifen. Nicht zu vergessen sind die Texte, die als Erklärung der einzelnen Standorte anzusehen und auch Teil des Kunstwerks sind. Weiters dienen die Fotos von mir und von Freunden der Dokumentation und sind Teil des Projekts. Nicht zuletzt ist dieser Blogeintrag auch eine Form, wie das Kunstprojekt die Verbindung mit dem Cyber-Space als ultimativen öffentlichen Raum zwischen Realität und Virtualität herstellt und die Informationen digital weiter verbreiten soll. Da die Bilder selber auch ein Geschenk an die Öffentlichkeit sind, wurde thematisch mit der Art der Aufhängung eine konsistente Verbindung geschaffen. In diesem Sinne präsentiert sich dieses Gesamtwerk als Denkanstoß für die Geschenksökonomie.
Die Vorgeschichte:
Die Anfänge des Projekts reichen zurück bis zum Jahre 2010. Ich hatte in einem Blogeintrag die Idee einer Lizenz für Geschenke vorgestellt - die Common Property License. Diese sollte dazu dienen, das Konzept der Creative Commons auf die reale Welt zu übertragen und damit die Geschenkswirtschaft auch abseits des Internets lebbar zu machen.Die Geschenkslizenz sollte das Verschenken von Gegenständen und ihr Überführen in eine Geschenkswirtschaft ermöglichen und anstoßen. Um diesen Gedanken weiterzuentwickeln, kam ich anschließend auf die Idee, ihn mit diesem Kunstprojekt zu verbinden.
Die Bilder:
Dazu verwendete ich Leinwände, welche ich zu verschiedenen Themen unterschiedlich gestaltete. Ich besprayte sie mit Acryl-Lackfarben.Material: Leinwände und Acryl-Lackfarben |
The work begins... |
Auf der Rückseite beschriftete ich jedes mit dem jeweiligen Titel und der Geschenkslizenz, verbunden mit den nachdrücklichen Worten "Do not sell!"
Beschriftung der Bilder mit der Common-Property Linzenz |
Die Themen:
Ich wählte meine Sujets nach Themen aus, die meiner Meinung nach mit dem heutigen Kapitalismus verbunden sind. Kapitalismus und- Religion
"Window" - Das Religionssujet |
- Medien
"TV" - als Bild für die Medien |
- Börse
"After Ostojić", welches im Zusammenhang mit der Börse steht |
- Wachstum
"Mine is bigger" für den Glauben an ewiges Wachstum |
- Vergänglichkeit
"more" steht für die Vergänglichkeit |
- Zukunftsgläubigkeit
"Die Zukunft existiert nicht" für den Fortschritts- und Zukunftsglauben |
- Transport
"U" für den Transport |
- Technik
Sparks - Zum Thema Technik |
Die Stadt ist mein Museum:
Um diese Bilder nun wirksam zu verbreiten, machte ich sie zu einem Geschenk an die Öffentlichkeit. Ich nutzte einfach die Stadt als Museum. Interessant im Zusammenhang mit Streetart ist, dass sie sich erstaunlich gut in die Funktionsweise unseres kapitalistischen Systems einbettet, wie ich ebenfalls schon einmal beschrieben habe. Bei Streetart wird zudem oft kritisiert, dass sie nur Vandalismus sei. Es werden Hauswände angeschmiert - den künstlerischen Aspekt und die Beweggründe dieser Kunstform wollen oft nur die wenigsten wahrhaben. Ich wollte diesem Kritikpunkt begegnen, indem ich tatsächlich Bilder in der Öffentlichkeit aufhängte. Denn von einigen Zeitgenossen scheint Kunst nur Kunst zu sein, wenn sie wirklich auf Leinwand aufgetragen wird. Doch warum soll ich diese Leinwände dann nur in Galerien oder Museen hängen? Ist nicht ein entscheidender Punkt der Kunst, dass sie für die Freiheit steht und sich gerade nicht in diese institutionellen Rahmen drängen lassen sollte, insbesondere wenn das Projekt gerade die Geschenkswirtschaft promoten sollte? So machte ich kurzerhand die Stadt zu meinem Museum und hängte die Bilder in der Öffentlichkeit auf. Die Orte wurden so gewählt, dass sie mit dem jeweiligen Bild in Zusammenhang stehen. Somit wird der Ort selber auch Teil des Kunstwerkes. Sehen wir uns an, wo und warum ich die jeweiligen themenspezifischen Bilder aufhängte:Religion:
Kapitalismus kann als die neue Religion unserer Zeit gesehen werden. Der Glaube ans Wirtschaftswachstum und an das erreichbare Paradies auf Erden über den Reichtum an weltlichen Gütern dominiert unsere heutige Welt. Umgekehrt kann auch die Kirche als eines der erfolgreichsten Unternehmen der Geschichte bezeichnet werden. Kirchen sollen dabei ein Fenster zu Gott darstellen. Dementsprechend habe ich das Bild "Window" als Geschenk vor der ältesten Kirche Wiens aufgehängt. Damit soll die Verbindung zwischen Glaube, Kapitalismus und Kirche aufgezeigt werden.
Medien:
Das Bild "TV" konnte ich in der Nähe des staatlichen Fernsehsenders ORF hinterlassen. Diesen Ort habe ich gewählt, weil ich denke, dass die Medien einen nicht unerheblichen Beitrag zur Formung der Konzeption unserer Welt beitragen. Einerseits über die Auswahl der Themen, welche präsentiert werden, andererseits auch über die Propagandafunktion der Werbung. Die Medien sollen uns zeigen, was wir konsumieren können, wie wir leben wollen und was überhaupt Lebensperspektiven darstellen. Durch ihre weite Verbreitung haben sie einen direkten Einfluss auf die Gestaltung unseres Wirtschaftslebens. Der ORF steht hier als größter Sender außerdem für die Verwicklung staatlicher Institutionen mit Privatwirtschaft.
Börse:
"After Ostojić" kann auf eine längere Ideengeschichte zurückblicken. Es basiert auf einer Arbeit von Tanja Ostojić mit dem Titel "After Courbet". In der Wikipedia kann man dazu folgendes lesen:
"Tanja Ostojić wurde Ende Dezember 2005 schlagartig europaweit durch die EU-Unterhose bekannt. After Courbet ist eine Persiflage auf Gustave Courbets Der Ursprung der Welt. Ostojićs Fassung zeigt ihren eigenen Schoß, photographiert von David Rych , jedoch bekleidet mit blauer Unterhose samt Europa-Sternen. Das Plakat sollte ironisieren, dass auswärtige Frauen in Europa nur dann willkommen sind, wenn sie den Slip fallenlassen. Neben einigen anderen Werken war dieses Plakat aus einer laufenden Kunstausstellung ausgewählt worden, um im öffentlichen Raum für Österreichs EU-Präsidentschaft zu werben. Die Wiener Kronenzeitung fabrizierte daraus einen handfesten Skandal, empörte sich über aus Staatsmitteln finanzierte Pornographie und sorgte sich um das Ansehen Österreichs in der Welt. Verunsicherte Politiker aller Parteien sprangen auf – mit der Folge, dass die Plakate wieder abgehängt wurden. Seitdem trägt dieses Bild, das ohne Titel im Jahr 2005 schon mehrfach gezeigt worden war, den inoffiziellen Namen Die EU-Unterhose."Ich beschloss, in diesen Dialog einzusteigen und wiederum auf Ostojićs Werk aufzubauen. Denn ihr Werk war ein gutes Beispiel dafür, wie die finanzielle Interessen und die damit verbundene Suche nach einem guten Ruf korrumpieren können und schließlich zu Zensur in der Kunst führen können. Deshalb ist das Bild auch in dem Käfig gefangen. (Auffallend hier: Zusammen mit einem Baum! Warum werden Bäume in Käfige gesperrt? Oder sind gar wir die Eingesperrten, ausgesperrt von Natur und Kunst?!)
Der gewählte Ort ist zusätzlich interessant. Gleich hinter dem Bild sieht man das Gebäude der alten Wiener Börse. Und neben diesem steht ein neues Gebäude, das "Haus der europäischen Union". Dieser Ort fasst viele Punkte gut zusammen: Die Nähe von hoher Politik und Finanzmarkt, die Zensur von Kunst mit dem Gedanken eines guten Rufs, die Blindheit für natürliche Prozesse und der damit verbundenen begrenzten eigenen Freiheit. All diese in unserem Wirtschaftssystem nahe beinander liegenden Dinge kumulieren symbolisch an diesem Ort. Durch die Positionierung meines Bildes konnte ich diesen Zusammenhang noch unterstreichen.
Wachstum:
Dieses Bild trägt den Titel "Mine is bigger" - Meiner ist größer! Ich habe es am Alberner Hafen aufgehängt, direkt vor einem brillianten Streetart-Piece vom berühmten Künstler BLU. BLUs Kunst zeugt von seiner Größe, sowohl inhaltlich, als auch in der Umsetzung. Das Bild von BLU ist enorm, aber "mine is bigger"! Das spannende an meinem Bild: Eigentlich wollte ich schematisch einen Penis darauf abbilden, als Symbol des Wettbewerbs um Größe und Macht in einer patriachalisch organisierten Gesellschaft (was sich auch in den immer größer werdenden Streetart-Bildern zeigt...). "Wie groß ist deiner? Wieviel Geld hast du?" Als ich das Bild jedoch einigen weiblichen Wesen zeigte, sahen diese einen Frauenkörper darauf abgebildet. Was hast du zuerst gesehen?
Vergänglichkeit:
Das Bild "Vergänglichkeit" soll uns daran erinnern, dass, obwohl wir immer mehr haben, all dies auch wieder vergeht. Hier bin ich wiederum in den Streetart-Dialog eingestiegen. Ich sah für einige Zeit jedes Mal, wenn ich mit der U-Bahn fuhr, ein Piece an dieser Wand. Es war vom Künstler mit dem Pseudonym Ripo und bestand aus dem Satz: "Less is more" - weniger ist mehr. Irgendwann wurd das "more" übersprayt. Ich dachte zuerst, ich wollte diesem Piece noch Tribut zollen, indem ich stylistisch mich an sein Werk anlehnte und das "more" wieder dort anbringen wollte - ein Unterfangen, das sich als sinnlos herausstellte - Vergänglichkeit ist nicht aufhaltbar. Denn schon kurze Zeit später ist das gesamte Werk übermalt gewesen. So ist mein Bild nur ein stummer Zeuge dessen, was früher dort war. So, wie man heute noch Spuren alter Zivilisationen findet, die bereits vom westlichen System vollends aufgesogen wurden.
Zukunftsgläubigkeit:
In Wien wird gebaut. Immobilienbaustellen, wohin man sieht. Es manifestieren sich hier zwei Glaubenssätze: Erstens der Glaube daran, dass Immobilien eine sichere Anlage sind. Die verlieren nicht an Wert und da hat man was handfestes. Das ist dahingehend ein Irrglaube, dass eine Immobilie, die keiner verwendet und keiner kaufen möchte, auch nichts wert ist. Es ist der Irrglaube an einen Wert außerhalb menschlicher Bewertung. Zweitens ist es der Glaube an ein zukünftiges Wachstum. Die Hochhäuser wachsen immer mehr in die Höhe, sie schießen wie die Schwammerl aus dem Boden. Aber existiert diese Zukunft wirklich? Ich verstehe nicht, wer diese ganzen Büros, die momentan in Wien entstehen, einmal brauchen wird. Deshalb habe ich diesen Standort für mein Bild "Die Zukunft existiert nicht" gewählt. Im Hintergrund wird gerade das höchste Gebäude Wiens, die DC Towers, errichtet. Wann platzt die Wiener Immobilienblase und damit die Zukunftsträume ihrer Besitzer?
Transport:
Für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems sind wir von guten Transportwegen und -Mittel abhängig. Sowohl, um die Güter weltweit zu verteilen, als auch um uns Menschen zu den entfernten Arbeitsplätzen und Produktionsstätten zu führen. Die U-Bahn ist dieses Mittel, um jeden Morgen um 7 Uhr früh hunderttausende Menschen zu ihren Einkommensstellen zu führen - unter der Erde und damit so schnell wie möglich. Ich habe mich, wenn ich mich zufällig einmal um die frühen Morgenstunden totmüde mit den Massen in die überfüllten Züge gequetscht habe, schon immer gefragt, was für ein komisches System wir uns da aufgebaut haben. Was mich jedoch immer noch mehr überrascht hat, war dass offenbar den anderen Menschen dieser Irrsinn nicht auffiel. Für sie scheint es normal zu sein, sich aus dem Bett zu quälen und dann in eine beliebige Arbeit zu fahren, die nur Mittel für ein Einkommen für sie ist. Dementsprechend wollte ich mich bei diesem Bild an der Ästhetik des U-Bahn-Logos orientieren. Trotz aller Kritik steht die U-Bahn auch für die technische Leistungsfähigkeit der Menschen: Züge, die unter der Erde fahren! Womit wir auch schon beim letzten Bild angelangt sind:
Technik
Verbunden mit unserer Zukunftsgläubigkeit ist auch unser Glaube an die Technik. Mittels Technik soll alles lösbar sein. Oft dient die Technik auch der Beschleunigung menschlicher, gesellschaftlicher Veränderung. Unsere Möglichkeiten, Werkzeuge einzusetzen, haben sich heute exponentiell beschleunigt. Gleichzeitig ist heute die Technik auch unsere größte Gefahr geworden. Die Waffenarsenale der Welt reichen aus, um alle per Knopfdruck für immer ins Jenseits zu befördern. Atomkraftwerke der ganzen Welt stehen als tickende Zeitbomben mitten in gesellschaftlichen Ballungszentren. Jedes Werkzeug kann auch als Waffe eingesetzt werden, wenn man es richtig verwendet. Steigt die Wirkungsfähigkeit unserer Werkzeuge, steigt auch das Zerstörungspotenzial! Das Bild "Sparks" zeigt Strukturen, welche denen eines Schaltkreises ähneln. Ich habe dieses Bild beim Gebäude der technischen Universität platziert, um die Verbindung von technischer Entwicklung, welche immer schneller abläuft und dem diesen Wachstumsprozess auslösenden zwischenmenschlichen System Kapitalismus und der jedoch auch damit verbundenen wachsenden Zerstörungskraft aufzuzeigen.
Fazit:
Dieses Kunstprojekt ist sowohl multithematisch, als auch multimodal zu sehen. Doch holistisch betrachet (eine Betrachtungsweise, die uns in unserer spezialisierten Welt nur allzu oft fehlt) sieht man, dass alles irgendwie zusammenhängt. Die Themen sind allesamt wirtschaftlicher Natur: Angefangen von der Geschenksökonomie. Ich denke, dass wir in Zukunft in unserer zusammenwachsenden Welt immer mehr Geschenke und Leistungen ohne Gegenleistung sehen werden. Die Verwirrungen unseres auf Gier und Neid aufgebauten Wirtschaftssystems werden wir bald hinter uns lassen. Das müssen wir sogar, wenn wir nicht weiter in Richtung physischer und psychischer Untergang arbeiten wollen. Daher waren meine Bilder, die Fotos und auch dieser Text ein Geschenk. Die Platzierung der Bilder in der Öffentlichkeit, verbunden mit der Common-Property Lizenz sollten ein Anstoß für die Geschenksökonomie sein.Die Orte, die ich dann wählte, waren alle so gewählt, dass sowohl vom Ästhetischen, als auch thematisch ein Gesamtbild entsteht. Jedes behandelt einen anderen Aspekt des Kapitalismus, ob Zukunftsgläubigkeit oder die Verbindung zwischen Kapital und politischer Macht.
Schließlich ist es als Gesamtkunstwerk zu sehen. Nicht nur die Bilder sind zu betrachten, sondern auch die Einbettung in den Text, verbunden mit den Fotos und über das Medium Internet mittels Blogeintrag verbreitet.
So habe ich versucht, einen roten Faden durch sämtliche Medien- und Gedankenstränge zu ziehen. Und wer weiß, vielleicht findest du mal eines meiner Bilder?
Wer noch mehr Bilder sehen möchte, kann gerne das gesamte Album hier ansehen,
oder auch unter diesem Link
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