Abschrift meines auf Youtube erschienenen Videos über die Knowlegde based economy:
Knowledge based economy – ethische und epistemologische Implikationen:
Ich möchte mich zunächst auf die epistemologischen Implikationen konzentrieren und mich dann zu den ethischen durcharbeiten.
Knowledge based economy – zu Deutsch: wissensbasierte Wirtschaft – ist ein Schlagwort, das die Bedeutung von Wissen in unserer modernen Gesellschaft herausstellen soll. Nicht mehr nur Kapital, Grund und Boden und Arbeitskraft sind die entscheidenden Faktoren, sondern Wissen wird als wichtiger Produktionsfaktor angesehen. Die Frage, die sich hier zunächst stellt ist diese: War Wissen nicht schon immer essentiell? Brauchte man für wirtschaftliche Tätigkeiten nicht schon immer zumindest ein Quäntchen Wissen? Offensichtlich schon. Es scheint jedoch so, als hätte sich hier ein Perspektivenwechsel vollzogen. Wissen scheint wichtiger, scheint relevanter wahrgenommen zu werden – dies ist ein erkenntnistheoretischer Aspekt.
In dem Zusammenhang lohnt es sich, das Prinzip der emergenten Ordnungen zu betrachten. Man könnte sie hier auch als Bereiche relativer Eigenständigkeiten umschreiben. Es sind Ordnungen, ob nun wirtschaftliche oder gesellschaftliche oder einfach nur im Denken vorhandene, welche plötzlich entstehen und dann jedoch länger bestehen. Statistisch gesehen bedarf es hier einer kritischen Masse. Emergente Ordnungen, einmal entstanden, beeinflussen Erwartungshaltungen und machen manche Dinge wahrscheinlicher. Interessant ist hierbei das Prinzip der sogenannten Inkursion. Während wir durch Rekursion auf Vergangenes zurückgreifen und dies unsere Erwartungshaltung verändert, greifen wir auch auf Zukunftserwartungen zurück, welche unsere Erwartungshaltungen wiederum ändern. So gesehen verändert sich unsere aktuelle Position in der Erwartung ständig.
Bezogen nun auf das Wissen stellt der Wissenschaftsbetrieb eine solche emergente Ordnung dar. Manche Dinge sind wahrscheinlicher, andere relativ unwahrscheinlich. Ein Professor von mir gab immer das Beispiel, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, wenn er auf einmal mitten in der Vorlesung anfinge zu tanzen.
Dadurch, dass emergente Ordnungen manche Dinge wahrscheinlicher machen, müssen sie andere ausblenden und unwahrscheinlicher machen. Bezogen auf das Wissen heißt das: ein gekonnter Umgang mit Nichtwissen. Um manche Dinge im Wissenschaftsbetrieb wahrscheinlicher zu machen muss Wissen ausgeblendet werden, wie zum Beispiel Wissen oder Nichtwissen über esoterische oder mystische Themen.
Das Thema kann auch geschichtlich oder idealtypisch behandelt werden. Aristoteles soll in einer Fußnote erwähnt haben, dass die Mathematik von müßiggehenden Priestern erfunden wurde. Sie wurden zunächst von der täglichen Erwerbsarbeit freigestellt und konnten dadurch einen Bereich von relativer Eigenständigkeit bilden. Als dann abstrakte mathematische Lösungen zurückwirkten auf praktische Probleme der Gesellschaft, zum Beispiel indem man bessere Erträge in der Landwirtschaft erbrachte, hatte sich diese emergente Ordnung gefestigt und bestätigt. Und die Beobachtung, dass das Freistellen von Arbeitern positive Auswirkungen auf die Arbeit selber hatte, veränderte die Erwartungshaltung gegenüber der Zukunft.
Ein Problem der emergenten Ordnungen lässt sich gut durch den Luhmanschen Satz: „Man kann nicht sehen, was man nicht sieht“, beschreiben. Dadurch, dass sich emergente Ordnungen voneinander abgrenzen werden die Probleme der anderen undurchsichtig. So kann es vorkommen, dass der Mathematiker auf einmal unter Legimationsdruck steht, weil ein Politiker beispielsweise Mittel bereitstellen soll und nicht mehr nachvollziehen kann, warum sich der Mathematiker mit dem und dem Problem beschäftigt.
So what? Was sind nun ethische Implikationen?
Oben erwähntes Beispiel lässt folgende Lösung zu: Man könnte sich an die sogenannte requisite variety – zu Deutsch etwa notwendige Vielfalt - halten. Um mit der in der modernen Gesellschaft vorherrschenden Vielzahl an emergenten Ordnungen umgehen zu können, muss man sich zunächst deren bewußt sein. Es muss klar sein, dass viele Bereiche relativer Eigenständigkeit nebeneinander existieren und man nicht immer nachvollziehen kann, was und jemand in einer anderen Ordnung tut. In Bibliotheken findet das garbage-can (Mülltonnen) Prinzip Anwendung. Dort werden wie in einen Mülleimer möglichst viele Bücher hineingeworfen, ohne dass man weiß ob diese jemals relevant sind. Und tatsächlich werden oft nur 20 Prozent der Bücher jemals ausgeliehen. Doch es muss die notwendige Vielfalt an Büchern herrschen.
Auf die moderne Gesellschaft umgelegt heißt das auch, das man sehen muss, dass diese anschlussfähig und überlebensfähig bleibt. Eine Möglichkeit die requisite variety in der Gesellschaft zu erhalten ist das momentan viel diskutierte und nicht ganz unproblematische Grundeinkommen. Auch die oft gepriesene Interdisziplinarität stellt einen Lösungsversuchersuch der Schnittstellenproblematik der emergenten Ordnungen dar. Zuguterletzt ein in meinen Augen kritischer Punkt:
Wenn ich mich den ethischen Implikationen mittels der kantischen Frage: „Was soll ich tun?“ nähere, kommt bei mir der Verdacht auf, dass man sich bei der Behandlung des Themas wie oben dargestellt leicht in die Fänge eines naturalistischen Fehlschlusses begibt. Aber vielleicht befinde ich mich hier auch in einer anderen emergenten Ordnung…
Knowledge based economy – ethische und epistemologische Implikationen:
Ich möchte mich zunächst auf die epistemologischen Implikationen konzentrieren und mich dann zu den ethischen durcharbeiten.
Knowledge based economy – zu Deutsch: wissensbasierte Wirtschaft – ist ein Schlagwort, das die Bedeutung von Wissen in unserer modernen Gesellschaft herausstellen soll. Nicht mehr nur Kapital, Grund und Boden und Arbeitskraft sind die entscheidenden Faktoren, sondern Wissen wird als wichtiger Produktionsfaktor angesehen. Die Frage, die sich hier zunächst stellt ist diese: War Wissen nicht schon immer essentiell? Brauchte man für wirtschaftliche Tätigkeiten nicht schon immer zumindest ein Quäntchen Wissen? Offensichtlich schon. Es scheint jedoch so, als hätte sich hier ein Perspektivenwechsel vollzogen. Wissen scheint wichtiger, scheint relevanter wahrgenommen zu werden – dies ist ein erkenntnistheoretischer Aspekt.
In dem Zusammenhang lohnt es sich, das Prinzip der emergenten Ordnungen zu betrachten. Man könnte sie hier auch als Bereiche relativer Eigenständigkeiten umschreiben. Es sind Ordnungen, ob nun wirtschaftliche oder gesellschaftliche oder einfach nur im Denken vorhandene, welche plötzlich entstehen und dann jedoch länger bestehen. Statistisch gesehen bedarf es hier einer kritischen Masse. Emergente Ordnungen, einmal entstanden, beeinflussen Erwartungshaltungen und machen manche Dinge wahrscheinlicher. Interessant ist hierbei das Prinzip der sogenannten Inkursion. Während wir durch Rekursion auf Vergangenes zurückgreifen und dies unsere Erwartungshaltung verändert, greifen wir auch auf Zukunftserwartungen zurück, welche unsere Erwartungshaltungen wiederum ändern. So gesehen verändert sich unsere aktuelle Position in der Erwartung ständig.
Bezogen nun auf das Wissen stellt der Wissenschaftsbetrieb eine solche emergente Ordnung dar. Manche Dinge sind wahrscheinlicher, andere relativ unwahrscheinlich. Ein Professor von mir gab immer das Beispiel, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, wenn er auf einmal mitten in der Vorlesung anfinge zu tanzen.
Dadurch, dass emergente Ordnungen manche Dinge wahrscheinlicher machen, müssen sie andere ausblenden und unwahrscheinlicher machen. Bezogen auf das Wissen heißt das: ein gekonnter Umgang mit Nichtwissen. Um manche Dinge im Wissenschaftsbetrieb wahrscheinlicher zu machen muss Wissen ausgeblendet werden, wie zum Beispiel Wissen oder Nichtwissen über esoterische oder mystische Themen.
Das Thema kann auch geschichtlich oder idealtypisch behandelt werden. Aristoteles soll in einer Fußnote erwähnt haben, dass die Mathematik von müßiggehenden Priestern erfunden wurde. Sie wurden zunächst von der täglichen Erwerbsarbeit freigestellt und konnten dadurch einen Bereich von relativer Eigenständigkeit bilden. Als dann abstrakte mathematische Lösungen zurückwirkten auf praktische Probleme der Gesellschaft, zum Beispiel indem man bessere Erträge in der Landwirtschaft erbrachte, hatte sich diese emergente Ordnung gefestigt und bestätigt. Und die Beobachtung, dass das Freistellen von Arbeitern positive Auswirkungen auf die Arbeit selber hatte, veränderte die Erwartungshaltung gegenüber der Zukunft.
Ein Problem der emergenten Ordnungen lässt sich gut durch den Luhmanschen Satz: „Man kann nicht sehen, was man nicht sieht“, beschreiben. Dadurch, dass sich emergente Ordnungen voneinander abgrenzen werden die Probleme der anderen undurchsichtig. So kann es vorkommen, dass der Mathematiker auf einmal unter Legimationsdruck steht, weil ein Politiker beispielsweise Mittel bereitstellen soll und nicht mehr nachvollziehen kann, warum sich der Mathematiker mit dem und dem Problem beschäftigt.
So what? Was sind nun ethische Implikationen?
Oben erwähntes Beispiel lässt folgende Lösung zu: Man könnte sich an die sogenannte requisite variety – zu Deutsch etwa notwendige Vielfalt - halten. Um mit der in der modernen Gesellschaft vorherrschenden Vielzahl an emergenten Ordnungen umgehen zu können, muss man sich zunächst deren bewußt sein. Es muss klar sein, dass viele Bereiche relativer Eigenständigkeit nebeneinander existieren und man nicht immer nachvollziehen kann, was und jemand in einer anderen Ordnung tut. In Bibliotheken findet das garbage-can (Mülltonnen) Prinzip Anwendung. Dort werden wie in einen Mülleimer möglichst viele Bücher hineingeworfen, ohne dass man weiß ob diese jemals relevant sind. Und tatsächlich werden oft nur 20 Prozent der Bücher jemals ausgeliehen. Doch es muss die notwendige Vielfalt an Büchern herrschen.
Auf die moderne Gesellschaft umgelegt heißt das auch, das man sehen muss, dass diese anschlussfähig und überlebensfähig bleibt. Eine Möglichkeit die requisite variety in der Gesellschaft zu erhalten ist das momentan viel diskutierte und nicht ganz unproblematische Grundeinkommen. Auch die oft gepriesene Interdisziplinarität stellt einen Lösungsversuchersuch der Schnittstellenproblematik der emergenten Ordnungen dar. Zuguterletzt ein in meinen Augen kritischer Punkt:
Wenn ich mich den ethischen Implikationen mittels der kantischen Frage: „Was soll ich tun?“ nähere, kommt bei mir der Verdacht auf, dass man sich bei der Behandlung des Themas wie oben dargestellt leicht in die Fänge eines naturalistischen Fehlschlusses begibt. Aber vielleicht befinde ich mich hier auch in einer anderen emergenten Ordnung…
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