Interview mit Karl-Heinz Brodbeck über "Die Herrschaft des Geldes"

Karl-Heinz Brodbeck: Die Herrschaft des Geldes

Der Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler Karl-Heinz Brodbeck hat mit seinem über 1100 Seiten dicken Wälzer "Die Herrschaft des Geldes: Geschichte und Systematik" ein philosophisches Buch über Geldtheorie, Wissenschaftstheorie im Allgemeinen, Wirtschaftstheorie im Speziellen und über die Identität des Menschen in der Gesellschaft überhaupt geschrieben.

Nachdem ich das Buch im Urlaub gelesen hatte waren einige Fragen aufgetaucht, die mir Karl-Heinz Brodbeck dankenswerterweise in einem Interview beantwortete.

Sehr geehrter Herr Brodbeck! Wie lange haben Sie an diesem Buch geschrieben?
Die ersten Entwürfe (ein Kommentar zu Aristoteles) gehen auf das Jahr 1983 zurück. Ich habe zahlreiche Entwürfe neben der Ausarbeitung meines Buches "Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie" (1998) geschrieben. Die schließliche Form, die ich auch zwei bis dreimal umgeschrieben habe, war dann die Arbeit ca. zwischen 2005 bis Anfang 2009.

Thema Freier Wille: Das Bewusstmachen über den Schein des Geldes hilft nur, wenn man wirklich einen freien Willen voraussetzt. Gerade dieser wird oft angezweifelt. Begründen Sie irgendwo diese Voraussetzung?
Die - neuerdings wesentlich neurowissenschaftliche - Kritik am freien Willen ist durchaus berechtigt, wenn man darunter den "Willen eines Egos" versteht. Das Ich ist eine Fiktion, kann also auch keinen freien Willen haben. Doch die menschliche Subjektivität ist anderes und mehr als ein wollendes oder erkennendes Ego (ego cogito). Allein Ihre Frage zeigt, dass Sie einer Aussage widersprechen können. Ebenso können Sie in Tauschakte einwilligen oder auch nicht. Das ist das primäre Phänomen, das niemand vernünftig bezweifeln kann. Jeder kann (prinzipiell) einen Irrtum erkennen und beseitigen. Das kann man so übersetzen, dass kein "ich will" dazu notwendig ist. Die Subjektivität ist offen, nicht determiniert, auch wenn die Gewohnheitsmuster hier eine zunehmende Einschränkung bedeuten. "Offenheit" ist der Grund für das Phänomen, das wir "freier Wille" nennen und als Ego ver-meinen, also "verichlichen". Ansonsten findet sich dazu Ausführliches am Beispiel und der Kritik des Libet-Versuchs in Kapitel 2.2.3, besonders S. 229ff.

Gewohnheitsmuster? Wie definieren Sie Gewohnheiten? Kann man nicht sagen: Gewohnheiten von Menschen verändern sich nur langsam und deshalb sind Voraussagen begrenzt möglich?
Alles Handeln ist auch kognitiv vermittelt. Im begleitenden oder vorausgehenden Denkprozess werden (fiktive) Entitäten unterschieden und in Handlungsprogrammen miteinander vermittelt. Die Achtsamkeit ist hier der Schlüssel: Sie richtet sich bei neuen, ungewohnten (!) Handlungen ganz auf das Handlungsprogramm, die Abfolge der behandelten Entitäten (z.B. Erlernen). Mit der Wiederholung wird dies "automatisiert", d.h. unbewusst - wie das Autofahren, eine Denkgewohnheit oder die Geldverwendung. Diese Handlungsprogramme sind immer wieder bewusstseinsfähig; man kann sie durch Verlangsamung wieder bewusst machen - "entlernen". Deshalb "langsam". Je tiefer und länger und in kultureller Resonanz solche Gewohnheiten schon früh ausgebildet werden, desto schwieriger, sie zu erkennen und aus der Erkenntnis dann zu lassen (oder zu verändern). Sie verknüpfen sich auch mit körperlichen Funktionen, "verkörpern" sich und werden so z.B. zur Sucht, wie das Rauchen. Menschen funktionieren also oft in und aus Gewohnheitsmustern, selten kreativ, selten sagen sie "nein" zu Reizen. Es gibt in sozialer Resonanz auch solche Gewohnheitsmuster ("Herdenverhalten" oder einfach nur "Kultur"). Sie funktionieren wie Automaten; deshalb sind sie prognostizierbar. Aber Marktprozesse sind immer auch eine Destruktion von technischen oder Konsumgewohnheiten ("Innovation", "Fortschritt" - oder einfach List und Täuschung), zudem stehen sie in Wettbewerb zueinander. Dieses Ganze von Ineinander der Gewohnheiten und ihrer Veränderung ist nicht prognostizierbar. Das ist aber gesellschaftlich-ökonomische "Wirklichkeit".

Sie schreiben viel über die Bedeutung der Bedeutung und dass diese oft verkannt wird. Es stimmt: Man ist zwar selber Teil der Gesellschaft, kann man jedoch nicht trotzdem die Gesellschaft beobachten? Auch der Beobachter eines Spieles kann von außen andere Dinge erkennen, wie zum Beispiel der Trainer einer Mannschaft. Ist man selber Mitspieler erkennt man eventuell nicht so viel. Wenn man aus der Alltäglichkeit herausgerissen ist, kann man auch mehr darüber erfahren. Gibt es nicht gerade deshalb oft eigene Wissenschaftsausdrücke, weil Wissenschaftler oft eine andere Position in der Gesellschaft einnehmen?
Wie soll das gehen: "Die" Gesellschaft beobachten. "Gesellschaft" ist immer eine Interpretation. Die Verdinglichung als Gegenstand setzt eine Auslegung voraus. Man kann einzelne Akte beobachten - z.B. einem Käufer und einem Verkäufer zuschauen, zwei Sprechende beobachten usw. Dabei sieht man anderes als die Teilnehmer. Ich mache immer auch wieder Rhetorik- und Kreativitätstrainings: Da ist die Arbeit mit der Kamera sehr wichtig, um die Differenz der Eigen- und Fremdperspektive zu verstehen. Doch bei jeder Fremdbeobachtung muss man verstehen, was man beobachtet. Das setzt Teilnahmeerfahrung voraus. (Trainer von Fussball-Clubs waren meist früher selber Spieler.) Um X distanziert zu beschreiben, muss man Spracherfahrung im Umgang mit X haben. Das habe ich im Kapitel 2.1.4 über die soziale Grundstruktur als duale Perspektive dargestellt (S. 193ff.). Man kann sich selber "von außen" sehen, durch Übung (im Buddhismus eine alte Tradition), heute einfacher durch Technik: Kamera, Mikrofon usw. Aber man kann nicht "die" Gesellschaft, "das" Geld, "die" Sprache usw. von außen beobachten. Alles Wissen darüber ist Reflexion, reflektierte Teilnahmeerfahrung. Was die "Wissenschaftsausdrücke" anlang, so habe ich ja im Kapitel 1.3 zahlreiche solcher für die Sozialwissenschaften relevante Methoden-Theorien dargestellt und kritisiert - jeweils mit dem Ergebnis, dass das Sich-über-die-Gesellschaft-stellen an entscheidender Stelle zu Denkfehlern (logischen Widersprüchen) führt. Ich wende hierbei kein äußeres Kriterium für wahr/falsch an, sondern übernehme das in der Wissenschaft tradierte Prinzip der Logik: Satz vom Widerspruch, kehre also die wissenschaftliche Denkform gegen sich selber.

ÜBER die Gesellschaft zu reden, ist schwierig, wenn man Teil von ihr ist. Begibt man sich nicht wieder ÜBER die Gesellschaft, stellt sich höher, wenn man ÜBER sie spricht? Kann man nicht nur immer über einen Teil der Gesellschaft reden, den, der einem zugänglich ist? Wie können Sie über die Gesellschaft reden?
Ich spreche nicht über die Gesellschaft, also das Eidos, das Wesen der Gesellschaft. Gesellschaft ist eine Interpretation, und Interpretieren ist Teilnahme an der Gesellschaft. Ich reflektiere das, was jeder in einer Sprach- und Geldgesellschaft im eigenen Bewusstsein alltäglich vorfindet. Dazu bedarf es keiner Forschungsmittel und keiner Experimente. In der sozialen Grundstruktur stelle ich einen Rahmen vor, in dem zwei miteinander sprechen, tauschen, sich beobachten usw. können und verweise auf Relationen, die hierbei auftauchen und auf die man seine Aufmerksamkeit lenken kann. Die Gesellschaft als Wesenheit ist ein spätes Produkt des Denkens, wobei der Mechanismus eine wesentliche Rolle spielt (die Gesellschaft als Maschine, System usw.). Hierbei begibt sich der Theoretiker in die Position eines Maschinenbauers, der die Maschine der Gesellschaft nachbaut, gleichgültig, ob man dies nun durch mechanische Gleichungen, kybernetische Sprüche oder im dialektischen Jargon versucht. Eben das ist die Position des cartesianischen Subjekts = Geldsubjekt. Die nehme ich auch ein (jeder erlernt das ja, den je anderen zu instrumentalisieren usw.), um diese Form von innen zu kritisieren und ihre Herkunft zu erläutern.

Sie werfen anderen Theoretikern oft eine totalitäre Haltung vor. Ist nicht die Zurückführung von beinahe allen Handlungen auf ein Geldsubjekt auch eine totalitäre Haltung?
Nicht ich führe auf etwas zurück, die alltägliche Wirtschaftswelt subsumiert immer mehr Handlungen dem Geldkalkül. Ja, das ist totalitär. Die Verblendung des Geldes erzeugt diese Haltung jeden Tag neu, und die Menschen tun sich selbst das an, was sie als fremdes Verhängnis ("Sachzwänge") dann ablehnen, bekämpfen usw. Bedürfnisse und Handlungen beschreibe ich zunächst übrigens ausführlich ohne Geldsubjekt. Das ist ja eine (logische und historische) Überlagerung, eine Subsumtion, die man füglich als schrittweisen Totalitarismus der Märkte bezeichnen kann (vgl. zur Handlungstheorie 2.1.6-2.1.8 und von der Seite der Bedürfnisse 5.1). Eine Handlungstheorie, die nicht primär unter dem Gesichtspunkt der Subsumtion aller Handlungen unter die Geldlogik entwickelt wurde, habe ich 1979 ("Theorie der Arbeit") und in meinem "Erfolgsfaktor Kreativität" (Teil II: Handlung und Gewohnheit) systematisch entwickelt.

Zum Thema Handlungen und Identität. Sie schreiben auf Seite 201: "Erst das koordinierte Handeln von A und B, das die Kommunikation (R1) begleitet oder von ihr gelenkt wird, kann zeigen, dass sich A und B auf einen identischen Gegenstand beziehen." Was sind funktionierende Handlungen? Wann funktionieren Handlungen? Wann und wie erkennt man, dass Handlungen koordiniert waren, wenn man nicht schon Identitäten voraussetzt?
Eine wichtige, richtige und gute Frage. Es gibt auch hier kein objektivierendes Kriterium. Das Gelingen einer Handlung ist eine Interpretation der Handelnden. (Als Buddhist würde ich sagen: Eben das Gelingen ist Teil des Ego-Prozesses, der Selbsttäuschung, die aber konventionell = alltäglich von Vielen reproduziert wird.) Es gibt hier äußere, objektivierende Kriterien in den Wissenschaften oder in der Wirtschaft ("schwarze Zahlen" etc.). Doch diese Kriterien beruhen wiederum auf vermeintlichen Identitäten (z.B. Konventionen), die ihrerseits nur eine Interpretation darstellen. Es gibt keine letzte Identität, an der man andere aufhängen könnte. Beispiel: "Gibt mir bitte das Salz" - "Hier, bitte". Diese Handlung hat einen einfachen Identitätsprozess, wenn beide performativ akzeptieren, dass die Handlung gelungen ist - das Salz wurde gegeben. In einem lauten Lokal, wenn man dann "Pfeffer" gereicht bekommt, beginnt ein Identitätsprozess: "Ich meinte das Salz, bitte". Hier bricht die kritische Infragestellung nach einer Runde ab, wenn nun das Salz gegeben wird. Aber nicht, weil zwei Partner sich auf ein identisches Wesen "Salz" bezögen, sondern weil sie ihre Handlung symmetrisch als erfolgreich interpretieren. Identität ist als Prozess immer Fragment, Abruch - letztlich nie eine erreichte Konvergenz der Bedeutung als "Identität".

Bezüglich der Identität (Seite 198): Zeigen Sie nicht mit dem Zeichen "Prozess der Identität" auf den Prozess der Identität?
Ja, aber nicht als Gegenstand. Ich sage auch "Zahnschmerzen", ohne darauf zu zeigen. Man muss sie haben (also die Teilnahme vollziehen), um die Bedeutung zu verstehen. Ein Lehrwerk für das Klavierspiel "zeigt" auch auf das Klavierspielen. Doch man muss es anhand des Lehrbuches erlernen. Und einmal erlernt, ist es ein Potenzial, eine Fertigkeit, wiederum kein einfaches Objekt für ein Subjekt. Die Dualität von Subjekt und Objekt, Zeichen und Bezeichnetem ist gerade das, worauf sich meine zentrale Kritik richtet.

Woher kommt die Theorie, dass die Relation die Relate bestimmt? Wenn ich sie hinterfrage, ist ihre Theorie vom Geldsubjekt noch haltbar?
Das ist keine "Theorie"; ich habe sie - wenn auch nicht in dieser Formulierung - von Nagarjuna (Mulamadhyamaka-Karika). Relate sind traditionell interpretiert selbstseiende Dinge, die mit sich identisch sein sollen und dann, gleichsam "zufällig", auch in Relationen eintreten. Doch niemand ist "Mutter", um dann zufällig sich in Relation zu einem "Kind" zu begeben (eine Frau enthält als Begriff keine Relation zu Kindern, wohl aber zu "Mann", "anderen Frauen", "Natur", "Gesellschaft" usw.). Im Relat Mutter liegt die Relation zum Kind als Voraussetzung. Diese Denkform gilt für alle Kategorien, aber eben auch für das, was durch diese Kategorien erfasst wird: Geld, Handlung, Sprache usw. Die europäische Philosophie hat sich vom Substanzdenken nur schrittweise entfernt (vgl. z.B. Ernst Cassirer: Substanzbegriff und Funktionsbegriff). In der indischen, genauer der buddhistischen Philosophie wurde das ausführlich zwischen dem 2. und 6. Jahrhundert diskutiert und weitgehend geklärt. Die Physik ist hier in ihrer (impliziten) erkenntnistheoretischen Position viel weiter als z. B. die Ökonomie: Kein Körper ist ohne Beobachter in Masse und Bewegung definiert; kein Teilchen ohne Beobachter. Es ist die Relation des Experiments, der Beobachtung, der Handlung, in der sich dann die Pole "physikalischer Beobachter/Meßgerät" und "beobachtetes/gemessenes Objekt" konstituieren. Ein anderes Gerät ergibt andere "Dinge" und vielleicht eine andere Physik. Mit dem Auge den Himmel beobachtet (= Relation), ergibt für die erste Reflexion das, was Ptolemäus dann modelliert hat. Ein Umbau des Modells (Planetarien mit der Sonne als Mittelpunkt) ergibt die kopernikanische Wende. Und der Verliebte, der die Sterne betrachtet, sieht weder das eine noch das andere als "Natur". Doch auch er sieht etwas.
Das Geldsubjekt konstituiert sich im Umgang mit dem Geld - da hatte ja Marx durchaus recht mit seiner "Charaktermaske", später als "Rolle" gedeutet (vgl. 2.2.2). Nur sah er nicht, dass sich umgekehrt das Geld auch nur dadurch konstituiert, dass die Menschen in ihm rechnen, sich ihm subsumieren und ihm somit überhaupt erst ein "Sein" verleihen - wenn auch eine täuschendes Sein. Richtig: Hätte das Geld ein Selbstsein, einen Wert in sich, so wäre ein Geldsubjekt ein Unfug. Denn ein Ding, das nur in sich existiert, kann keine Relation eingehen, weil jede Relation das "Eigensein" vom Sein des Anderen, worauf sich die Relation bezieht, abhängig macht. Zu sagen, Dinge würden ihre Eigenschaften (= Relationen) in sich tragen, ist ein tiefer abendländischer Irrtum mit fatalen Folgen, den man nicht einmal klar denken kann. Die Naturwissenschaftler haben das wenigstens etwas aufgelöst.

Zu den Kategorien: Wenn ich mich denkend schon immer in Kategorien bewege, wie kann ich daraus ausbrechen? Kann ich etwas ÜBER Kategorien sagen, wenn ich mich immer IN ihnen bewege? Woher weiß ich, was richtige und was falsche Kategorien sind?
Es gibt keine kategoriale Position über den Kategorien, keine Sprache über der Sprache. Die Bedeutungen einer Metasprache müssten aus der Alltagssprache erst übersetzt werden. Man kann nicht - ohne viel Erfahrung in Meditationstechniken - aus dem reflektierenden Denken einfach ausbrechen. Aber Denken ist nicht gleich Bewusstsein. Es gibt das offene, achsame Gewahren. Das kann man üben und als Quelle der Veränderung von Gedanken entdecken. Jeder kreative Gedanke vollzieht sich so, auch wenn die Herkunft meist unbekannt ist. Man kann sprechend über Sprache sprechen, Begriffe für Begriffe machen usw. So kann man natürlich Kategorien, wie sie je schon mein Denken bestimmen, wiederum reflektieren - "im Spiegel des Bewusstseins" betrachten. Dies geschieht natürlich immer durch andere Kategorien. Also erweist sich jede Kategorie als abhängig von anderen; sie hat keine Identität und keine Selbstnatur. Ihr Wesen ist das, was sie nicht ist - also ihre Abhängigkeit (kognitiv, gedanklich und praktisch die Handlungen lenkend) von anderen Kategorien. Dieser "Zirkel des Wissens" war deshalb eine der Vorarbeiten zu meinem Geldbuch (und ist der Buchtitel für diese Untersuchung). "Richtig" und "falsch" bei Kategorien ist immer eine Interpretation, klar. Keine Kategorie ist völlig falsch. Eine "falsche" Kategorie in einer sozialen Situation ist eine, die darin keine innere, keine Teilnahmebedeutung besitzt. Ich gehe erinnernd (oder aus anderen Sitationen herkommend: vorstellend) in diese Situation und bemerke, dass bestimmte "Auslegungen", "Beschreibungen" darin nicht funktionieren, nicht vorkommen. Z.B. die "Gleichung" beim Tauschen; das ist eine von außen oktroyierte Behauptung. Niemand setzt beim Tauschen zweier Produkte etwas an oder mit ihnen "gleich". Oder bei der Kommunikation: Niemand sendet "Informationen"; jeder sagt etwas, also eine bestimmte Bedeutung. Beim Telefonieren kann der Informationsbegriff richtig sein als technischer Begriff - wenn das Rauschen so groß ist, dass ich dich nicht verstehe. Die Teilnahme ist also das Maß, nicht ein äußeres "Wahrheitskriterium".

Ihr Buch ist auch ein ethisches Buch. Stichwort Naturalistischer Fehlschluss: Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, dass man nicht vom Sein aufs Sollen schließen kann?
Dieser Vorwurf von Moore, der seine Anfänge in Humes´ no ought from an is hat, setzt ein Sein ohne "Werte" voraus. Das ist eine Illusion. Fakten in Differenz zu Werten sind bereits ein Resultat der Dualität zwischen Produkt und Wert in der Ökonomie. Der Begriff des "Werts" taucht im 19. Jahrhundert auf (als Kategorie bei Lotze) und ist aus der Ökonomie abgeleitet und generalisiert. Die Dualität zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist das Resultat einer seltsamen Übersetzung von Mills Logik (des Kapitels über die Logik der moral sciences), woraus dann teils Ökonomen wie Menger, teils Philosophen wie Dilthey, Rickert, Windelband u.a. die quasi-ontologischen Kategorien "Sein" und "Sollen" (später durch Scheler und Nicolai Hartmann zu "selbständigen Werte") gemacht wurden. Doch was ist ein "wertfreies Faktum"? Etwas, das in Differenz zu einer Bewertung untersucht wird. Wertfreiheit ist Privation der Bewertung. Das lässt sich aus vielen Gründen nicht als Gedanke durchhalten; mehr steht dazu im Kapitel 1.3.12 "Die Moral der Wertfreiheit". Hilfreich ist auch das Buch von Hilary Putnam: "The Collapse of the Fact/Value Dichotomy". Keine Beobachtung ohne Subjektivität, keine Subjektivität ohne Gefühle, also nicht-faktische Wertungen. Ganz kurz: Die Dualität von Wert und Faktum ist nur die philosophische Reflexion der Dualität aus Geld und Produkt, aus ratio und logos.

Herzlichen Dank für das Interview!
Schöne Feiertage und weiter viel Freude an der Kritik des Denkens!





Kommentare

  1. Ich habe im Urlaub Brodbeck gelesen und (Zufall?), von Karl Marx Das Kapital, Band 1.
    Besser hätte ich es nicht treffen können.
    Die Parallelen der beiden Bücher sind verblüffend. Wollte Brodbeck Marx karikieren oder imitieren?
    Schon die äußere Form: Beides entmutigend dicke Schinken, die noch dazu ausschließlich für junge Leute geschrieben wurden, weil in winzig wunziger Schrift. Ich brauchte da schon eine Dioptrie mehr als bei normalen Texten.
    Ich bin masochistisch genug veranlagt, um mich durchzukämpfen. Außerdem ist es wie nach einer Besteigung eines hohen Berges: Es ist eine Qual, aber nachher kann man sich rühmen: I did it.
    Weitere Parallelen:
    Die Art der Formulierungen.
    Die schier endlos scheinenden Schachtelsätze, ungegliedertes Layout.
    Es macht den Eindruck, ein Drittel der beiden Bücher ist in Fußnoten verfasst. Bei manchen genügt nicht eine Seite, so lange sind sie. Na gut, bei Marx sind es noch eine dreistellige Zahl von Zusatzfußnoten, für die man in den Anhang blättern muss. 1:0 für Karl Marx.
    Beide ergehen sich in wilden Polemiken. Brodbeck schimpft wilder und öfter. 1:1
    Beide kritisieren viel, bieten aber keine klaren Lösungen an (bzw. verstecken sie sehr gut in den nahezu ungegliederten Texten). Hier scheint es aber 2:1 für Marx zu stehen, Brodbeck lässt zwar kein gutes Haar an irgendjemandem, der jemals über Geld geschrieben hat, aber bietet selbst keine Definition an. (Ich habe sie zumindest nirgends gefunden). Marx wird da schon manchmal ein bisserl klarer – soweit man bei dem Stil von Klarheit überhaupt sprechen kann.
    Eine Grundregel der Kommunikation heißt: Beim Thema bleiben. Solche Normen lehnt Brodbeck kategorisch ab, und das merkt man auch. Da heißt zwar die Überschrift z.B. „Walras“ oder „Gesell“, schreiben tut er aber über andere. Diesen Stil zieht er durch. Die Überschriften haben nichts mit dem Inhalt des Kapitels zu tun: 2:2.
    Die wunderliche Verwendung von Worten jenseits der Alltagssprache fällt bei beiden Autoren auf. (Ich weiß zwar nicht, wie man vor 150 Jahren miteinander gesprochen hat, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass „man“ so wie Marx gesprochen hat).
    Es stellt sich für mich die Frage, warum diese Werke so geschrieben wurden.
    Brodbeck werde ich fragen, wenn ich wieder in Wien bin. Was ein Effekt ist: Sie werden unverständlich und unlesbar. Wer sich durchfrisst, darf sich zu Recht einer dünnen Elite zugehörig fühlen. Wers auch noch dazu versteht: Das ist die absolute Creme de la Creme. Nicht zu verwechseln mit: Wers glaubt zu verstehen.
    Ich habs nicht verstanden. Aber für mch wurden die Bücher auch nicht geschrieben.
    Wenn mein Kommentar zu abwertend scheint: Ich bin weit vom Stil der beiden entfernt.
    PS.: Interessant, dass das meiste hier Gesagte auch auf artfremde Bücher wie den Koran – in abgeschwächter Form auch auf die Bibel - zutrifft. Ich werde versuchen, weitere Bücher zu listen um hier ein System zu finden.

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  2. Eine gute Zusammenfassung von Brodbecks Theorie findet man übrigens in meiner neu erschienenen Diplomarbeit, die man gratis hier herunterladen kann:
    Das Geld in der Neoklassik. Der Paradigmenwechsel in der Ökonomik am Beispiel der Geldtheorie

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  3. Offenbar sehen Sie zu sehr, auf die Ihrer Meinung nach vorhandene Ähnlichkeiten von Marx und Brodbeck, als das Ihnen die erheblichen Unterschiede auffallen. Marx war ein Genie und Brodbeck ist ein deutscher Beamter. Nun gut das war ein Scherz und dies begründet natürlich keinen Unterschied zwischen beiden Theorien. Sehr viel deutlicher ergibt sich der Unterschied aus der Tatsache das Marx ein Materialist war und Brodbeck ein Idealist ist, und da fängt der grundsätzliche Ärger schon an. Marx erklärt Geld und die Welt aus den wirklichen realen materiellen Tatsachen, Brodbeck erklärt Geld und Welt aus den Gedanken den Menschen haben.Ich kann natürlich nur für mich persönlich schreiben, aber wo man bei der Lektüre von Marx vor Bewunderung erstarren möchte,das erscheint mir Brodbeck schlichtweg albern und sein Bekenntniss zur Religion ( Buddhismus )nur folgerichtig.
    Ein König z.B. gewinnt oder behält seine Macht nicht etwa weil die Leute daran gewöhnt sind oder an diese Macht glauben, sondern der König gewinnt und behält seine Macht durch die Größe seines Heeres, die Stärke seiner militärischen, politischen, ökonomischen Macht.

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    1. Das "Genie" Marx beginnt seine Ökonmiekritik mit einer Analyse der Ware. Und Marx bemerkt nicht, dass wer "Ware" sagt, auch schon "Käufer" und "Verkäufer" gesagt hat, weil es "Ware" nur im Horizont von handelnden Subjekten geben kann. Und dann analysiert das "Genie" seitenweise die Ware unter Ausklammerung desjenigen Horizontes (von handelnden Subjekten), in welchem Ware überhaupt nur erscheinen kann.
      Ich kann deshalb die Genialität nicht bestätigen, würde sogar eher von weitreichender Ahnungslosigkeit sprechen.

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  4. @Vorposter
    Lesen Sie mal Brodbecks Analyse des Neoliberalismus, die ist sehr hellsichtig. Ihre Meinung zu den Quellen von Macht ist unterkomplex. Bereits Max Weber (1864-1920!!) formulierte eine der heute noch bekanntesten Definitionen: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.". Als denkbare Quellen der Legitimität von Herrschaft machte er das Recht, die Tradition und das Charisma aus. Ihre Professorenkritik wirkt vor diesem Hintergrund reichlich albern, weil uninformiert. Nicht Ihre Liga.

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  5. Ich schließe mich der Meinung von @Vorposter an. Auch wenn es keine Heere gibt kann es in einer Gesellschaft aus irgendwelchen Gründen zu Machtzentren kommen. Wenn diese dann Heere zur Absicherung der gewonnenen Macht installieren, so ist das eine weitere Entwicklung.

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