Anleitung zum pädagogischen Fail

Paul Watzlawick schrieb einst ein brillantes Buch mit dem Titel "Anleitung zum Unglücklichsein". Auf dem Klappentext meines Exemplares steht: "Diese Anleitung nicht zu befolgen ist der erste Schritt zum Glück".
Es stimmt, dass man Vieles lernen kann, wenn man sich ansieht, wie man etwas gerade nicht macht. (Ähnlich geht auch Dilbert-Erfinder Scott Adams vor, wenn er vorschlägt, schlechte Lösungen für ein Problem zu finden)

Deshalb möchte ich hier ein paar Punkte aus meiner persönlichen Lernerfahrung beschreiben. Wie kann man Lehre so organisieren, sodass sie möglichst schlecht funktioniert? Damit man zumindest sieht, wie man es nicht tun sollte:

Räumlichkeiten:
  • Die Schreibtische sollten so schräg sein, dass kein Bleistift darauf liegen bleibt. Runterrollen sollen alle Stifte!
  • Baue möglichst keine Fenster ein. Es soll Gefängnisstimmung herrschen.
  • Dimme das Licht, damit man Mühe hat, munter zu bleiben!
  • Blumen oder anderes Leben soll aus den Räumen verschwinden!
  • Nur Halbtote werden hineingelassen!
  • Die Sessel und Stühle sollen in Reihe und Glied stehen, um Uniformität zu unterstützen!
  • Es sollen nicht genügend Sesseln zur Verfügung stehen! Die StudentInnen sollen sich frühzeitig auf eine Welt einstellen, wo jemand übrigbleibt! Am Boden sitzend ist es sowieso besser, um sich zu konzentrieren!
  • Neue Institutsgebäude sollen möglichst funktional sein. Wage es ja nicht, ästhetische Gedanken beim Bau einfließen zu lassen!
  • Orientierung soll unmöglich sein! Jedes Mal aufs Neue sollen sich die Studierenden durch lange Gänge suchend quälen, um nicht zu schnell im Hörsaal zu landen!
Klima:
  • Die Stimmung sollte steril sein. Um sich nicht zu nahe zu kommen muss man sich Siezen untereinander.
  • Scheinheiligkeit soll dominieren. Zwar redet man als Professor oder Lehrer seine Untergebenen mit einem saloppen "Kollege" an, aber wehe die Untergebenen versuchen selbiges!
  • Organisiere den Unterricht so, dass jede Frage seitens der Studierenden möglichst unangenehm wird. Es muss peinlich sein, Fragen zu stellen. Man muss sich dumm dabei vorkommen. Antworten sollten dementsprechend formuliert werden.
  • Grüße nicht, wenn du einen Hörsaal betrittst!
  • Umgekehrt sind natürlich alle Lehrenden Arschlöcher und wollen einem nur absichtlich schaden! Behalte das als Schüler immer im Hinterkopf!
Unterricht:
  • Das Warum spielt keine Rolle. Das Wie soll im Vordergrund stehen! Bleibe deshalb nie lange bei Sinndiskussionen sondern gehe gleich zu den technischen Details über!
  • Trenne die StudentInnen voneinander. Wissen soll nicht vernetzt sein! Jeder muss das selbe wissen und möglichst ohne die anderen auskommen!
  • Plane die Dauer von Unterrichtseinheiten so, dass sie entweder viel zu kurz, dafür regelmäßig oder viel zu lange (Optimum über drei Stunden!) dafür unregelmäßig sind! Erst nach mehreren Stunden Vortrag kann sich der Kopf so richtig konzentrieren!
  • Versuche deine Schüler nicht auf eine offene Welt vorzubereiten, in der man mittels Internet in Sekundenbruchteilen zu Wissen gelangen kann. Sie dürfen das Internet nicht benützen, vor allem bei Prüfungen nicht! Aus Büchern muss gelernt werden, und zwar auswendig!
  • Punktuelles Wissen wird gefragt! Zusammenhänge sollen nicht verstanden werden!
  • Es soll möglichst undemokratisch zugehen. Einer gibt den Lernstoff vor und alle anderen müssen diesen sich eintrichtern! Wäre ja noch schöner, wenn das gemeine Volk entscheiden könnte.
  • Gehe nicht auf das Individuum ein. Unterschiedliche Lerntypen sind ein Gerücht! Alle lernen gleich schnell und mit den gleichen Materialien! Überhaupt müssen alle StudentInnen das selbe denken!
Wie ich so sehe erfüllen unsere Schulen und Universitäten schon sämtliche dieser Punkte! Bravo!

Fallen euch noch Punkte ein?

Kommentare

  1. Mir fällt noch was ein: Führe eine zentrale Prüfung ein (idealerweise für ein ganzes Land).
    Ich muss aber zugeben, dass dieser Vorschlag so deppert ist, dass ich selber darüber lachen muss.

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  2. nicht zu vergessen, man zwinge Studierende dazu, die Vorlesung regelmäßig zu besuchen, indem man ja kein offizielles Lernskriptum zur Verfügung stellt. So sind die Armen gezwungen, akribisch mitschreibend die eigene Lernunterlage zu erstellen. Dass man bei dem Versuch, ja kein Wort des allwissenden Vortragenden zu überhören, nicht mehr zum Selber-Reflektieren des Vorgetragenen kommt, ist beabsichtigt. Studieren heißt schließlich auswendiglernen, und nicht über Dinge, von denen man ja noch gar nichts wissen kann, eigenständig nachzudenken.

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