Anleitung zum pädagogischen Win

Dies ist ein Gastbeitrag, geschrieben von Hanna Spegel (Kontakt). Er ist eine Antwort auf den von mir verfassten Beitrag mit dem Titel "Anleitung zum pädagogischen Fail" Der Blog steht jederzeit auch für Gastbeiträge offen, einfach Kontakt mit mir aufnehmen! Danke, Hanna, für deinen Beitrag!
Patrick Seabird

Anleitung zum pädagogischen Win
Bildungswerte? Disziplin overrulez Selbstvertrauen.

Patrick hat in seiner eingangs erwähnten Anleitung “Wie kann man Lehre so organisieren, sodass sie möglichst schlecht funktioniert?” einige Punkte des aktuell an Universität und Schulen praktizierten pädagogischen Worst Case gesammelt. Die Studie “Österreich 2025” der Karmasin.Motivforschung / Zukunftsinstitut Österreich aus dem Jahr 2010 widmet sich dem Gegenteil - und hat kürzlich folgende Fragestellung aufgeworfen: “Wenn wir das österreichische Bildungssystem neu aufsetzen könnten, welche Fähigkeiten sollten besonders vermittelt werden?”
Verblüffend-beunruhigendes Ergebnis der Befragung: “Vermittlung von Anerkennung einer Autorität” wird höher bewertet als “Vermittlung von Medienkompetenzen”. “Vermittlung von Disziplin” hat mehr Gewicht als “Stärkung des Selbstvertrauens von SchülerInnen”. Das wichtigste Bildungsziel bleibt in dieser Erhebung mit 65% “Vermittlung von Allgemeinbildung”, an zweiter Stelle “Individuelle Förderung von Talenten und Fähigkeiten der SchülerInnen”.

Medianet hat Studien Co-Autor Franz Kühmayer zu den “21st Century Skills” befragt, und fasst die vorgestrige Denke unseres aktuellen Bildungssystems wie folgt zusammen:

Die Studie beleuchtet auch, worin die Zukunftsoptionen für Unternehmen und
politische Gestalter liegen. „Konformität, Standardisierung, Hierarchie, Fehlervermeidung“, heißt es beispielsweise im Kapitel „Bildung Reloaded“, seien „die typischen Aspekte der Wirtschaft von gestern, aber immer noch die Merkmale der Schule von heute“. Die Gesellschaft entwickle sich jedoch in die entgegengesetzte Richtung – hin zu mehr Pluralismus, Individualität, Kreativität und Kooperation.
aus http://www.medianet.at/article/die-bildung-muss-raus-aus-dem-industriezeitalter/
Die Berufe müssen neu erfunden werden!

Luca Hammer greift das Bild der 2011 vollkommen überholten Vorstellung einer lebenslangen Fließband-Beschäftigung auf und hat in der Futurezone am Tag der Arbeit seine Sicht der Dinge dargelegt:

Bildung als Schlüssel

Günther Dueck schreibt von einer "Exzellenzgesellschaft", zu der wir werden müssen. Jeder soll die Matura machen und studieren. Es braucht mehr Lehrer, kleinere Klassen und bessere Betreuung. Die Ausbildung der Menschen muss sich grundlegend ändern, wenn wir gemeinsam in die Zukunft gehen und nicht Menschen zu schlechteren Maschinen machen wollen. Denn für diese gibt es immer weniger Arbeit. (...) Es gibt zahlreiche Kernkompetenzen, die heutzutage erwartet werden (müssen). Diese müssen von klein auf gelernt werden, sodass wir in Zukunft selbständig sein können und nicht von einer neuen Arbeitswelt vollkommen überrollt werden.

Wir brauchen keine Arbeiter am Fließband mehr, sondern solche, die sich neue Dinge ausdenken und erschaffen. Menschen, die bestehende Dinge verbessern. Die Wege finden, wie Computer den Alltag weiter erleichtern können. Wie wir ohne Verlust an Lebensqualität den Planeten schonen können und wie wir in Zukunft friedlich zusammenleben können.

Luca Hammer (http://www.2-blog.net/) am 1.5.2011 über “Die Zukunft der Arbeit” auf http://futurezone.at/meinung/2934-die-zukunft-der-arbeit.php

Der von ihm zitierte Günther Dueck hat ebenfalls Anfang Mai in der Financial Times Deutschland einen “Aufruf an die Generation Digital” veröffentlicht:

Digital Natives, die Berufe müssen neu erfunden werden!
Komplexe Aufgaben verlangen nicht nur Fachkönnen (das wird sogar zum guten Teil vom Internet geliefert), sondern soziale Gewandtheit, emotionale Intelligenz, Managementtalent, Verhandlungsgeschick, Selbstverantwortung, Unternehmergeist - eben all das, was heute in Stellenanzeigen so gefordert wird. Darüber amüsieren sich viele: "Haha, man soll jetzt alles können!" Liebe Leute, man muss es.

(...)

"Persönlichkeit" wird nicht gelernt, sondern erworben - es geht dabei immer um Coaching, Training und Mentoring - nicht um bloßes Frontalunterrichten. Lernt man Fußball, Ballett, Geige oder Theaterspiel durch Frontalunterricht? Nein. Und Verhandeln, Managen oder Projektleitung auch nicht. Alle wissen, dass man mit Geige, Ballett oder Schachspielen früh anfangen muss, wenn es gut werden soll. Aber Managen, Verkaufen, Kommunikation erst nach dem Doktor mit 30?
Günter Dueck am 7.5.2011 in http://www.ftd.de/it-medien/computer-technik/:essay-aufruf-an-die-generation-digital/60048143.html

Must-Haves 2020: Reflexionsfähigkeit und selbstbestimmtes Handeln

"Schüler sind nicht Fässer die man füllt, sondern Flammen, die man entzünden muss"
Man trifft sich bei der Komposition bildungspolitischer Zukunftsmusik auch zum persönlichen Austausch - zum Beispiel im Rahmen der Reihe “twenty.twenty”. Anlässlich der Veranstaltung “Allgemeinbildung 2020” fand eine breite Blogparade statt; am 14. April 2011 diskutierten mehrere so-called ExpertInnen Status und Zukunft der Bildung (der Videostream der Veranstaltung ist online verfügbar auf http://www.twentytwenty.at/naechste-veranstaltung/video/)

Meine persönliche Conclusio:


"persönlichkeitsbildung + reflexionsfähigkeit statt copy+paste von wissen und werten = bildungsziel souveränität und mündigkeit"
Nicht das eindimensionale Vorkauen und seitens Schülerschaft deckungsgleiche Wiedergeben von Wissen und Werten sollte die Kernaufgabe des Bildungssystems sein, sondern das Erlernen der Fähigkeit zur Reflexion und Selbstbehauptung.

How-To: be(come) a mensch

Das „mensch“-Sein, die jiddische Entsprechung von im Weitesten Sinne Integrität, hat für mich Guy Kawasaki in einem Blogbeitag 2006 geprägt – er zitiert Leo Rosten bei der Definition of Menschdom:

Someone to admire and emulate, someone of noble character. The key to being “a real mensch” is nothing less than character, rectitude, dignity, a sense of what is right, responsible, decorous.
aus: http://blog.guykawasaki.com/2006/02/how_to_be_a_men.html#ixzz1MsdznOjK

Denn egal ob wir über Bildung als humanistisches Ideal oder als eine Art Vorbereitungskurs auf ein wirtschaftliches Dasein diskutieren – des Pudels Kern liegt für mich persönlich in der Entwicklung der eigenen, authentischen und originalen Persönlichkeit, mit der man in jedem Lebensbereich Erfolg (laut eigener Definition) und Glück (detto) erreichen kann.

Mich beschäftigt das Thema seit meiner Zeit als SchülerInnenvertreterin – eine erste Verwirklichung fand im Jahr 2003 statt. Damals schlossen sich in Niederösterreich einige ehemalige SV-KollegInnen zusammen, um gemeinsam eine Vision zu verwirklichen: Persönlichkeitsbildung für Jugendliche, die Erweiterung des Bildungscurriculums um diesen unserer Meinung nach essenziellen Bereich. Das Ziel: Qualitativ hochwertige Seminare und Workshops zu leistbaren Preisen direkt an Schulen, angeboten von einer politisch unabhängigen und gemeinnützigen Organisation. Die Idee wurde unter dem Namen ‘Gruppe Xchange’ ins Leben gerufen, 2005 wurde der Verein Xchange Trainernetzwerk gegründet. Seither zählt der Verein über 20 Mitglieder, haben mehr als hundert Seminare & 3 Trainer-Ausbildungen stattgefunden, wurden zahlreiche Kooperationen mit Partnern wie dem Jugendrotkreuz, dem NÖ Landesjugendreferat, der wienXtra/jugendinwien & Co verwirklicht. Der Verein Xchange Trainernetzwerk ist online via www.xchange-web.at zu finden und auf http://www.facebook.com/trainernetzwerk.

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