Warum sind Ausgaben für Mitarbeiter schlecht?

Am Anfang meines WU-Studiums empfand ich oft ein ungutes Gefühl. Viele der Dinge, die wir gelehrt bekamen, waren fragwürdig. Manche widersprachen einfach meinem moralischen Grundgefühl. Einige waren offensichtlich falsch. Ein Beispiel für eine Situation mit ungemütlichem Charakter, das mir noch gut in Erinnerung ist, kam in Kostenrechnung Eins vor. Ich hörte zum ersten Mal, dass die Gehälter der Mitarbeiter etwas Schlechtes seien. Sie seien etwas, das man reduzieren sollte - etwas, das bestenfalls ein notwendiges Übel war. Wir sahen uns ein paar Schemata an, in welcher Ausgaben für Mitarbeiter neben den Ausgaben für Material oder Mietaufwand gestellt wurden. Als sei es dasselbe, Miete zu zahlen oder Arbeitslohn. Wir sahen uns Ländervergleiche an, in welcher die Lohnnebenkosten einzelner Länder verglichen wurden, mit der scheinbaren Erkenntnis, warum Österreich nicht das idealste Land zum Wirtschaften sei, weil eben die Kosten für Mitarbeiter so hoch seien.

Für mich war es vor dieser Lektion immer selbstverständlich gewesen, dass ein Unternehmen für die Leute da sei. Dass alle, die im Unternehmen arbeiteten, dieses Vehikel für eine möglichst angenehme Einkommensquelle verwenden wollten. Dass es doch gut sei, wenn mein Unternehmen möglichst vielen Mitmenschen einen hohen Lohn zahlen konnte. Die WU zeigte mir ein anderes Bild. Die Sicht, die wir dort mitbekamen war die des Managers auf der Führungsebene, der bereits ausschließlich die Interessen der Eigentümer vertrat und der mit allen Mitteln Kosten drücken und Gewinne maximieren sollte! Dabei hatte ich durch die Unternehmer- und Beratertätigkeit meines Vaters andere Sichtweisen kennengelernt, die in der Praxis der Unternehmen durchaus auch vorkamen.

Fragen kamen auf. Fragen wie: Soll es wirklich das Ziel unseres Wirtschaftens sein, anderen Menschen die Lebensgrundlage zu entziehen, indem wir ihre Einnahmen senken? Wollen wir nicht alle Ähnliches: Gut leben? Was das positiv ausgedrückt bedeutet, darüber kann man natürlich streiten. Oft können wir es besser negativ ausdrücken, indem wir sagen, was wir nicht wollen: Wir wollen nicht, dass unser Gehalt, also die Gegenleistung, die wir für unsere Hingabe an eine Unternehmung bekommen, als Störfaktor gesehen wird. Wir wollen nicht unter ständigem Druck leben müssen. Wieso sollte ich mich als Manager anders verhalten?

Heute weiß ich, dass man diesen Gedankengang auch noch weiterführen kann. Denn nicht nur die Mitarbeiter“kosten“ sind eigentlich Einnahmen und damit Zugangsmöglichkeit unserer Mitmenschen zu den Lebensgrundlagen. Auch Materialkosten zahlen wir an unsere Lieferanten, die wiederum ihre Mitarbeiter bezahlen. Ausgaben werden immer nur an Menschen gezahlt, egal ob Mieten, Strom oder Arbeitskraft eingekauft wird. Somit muss man sich überlegen, ob man jemals Kosten als etwas Negatives sehen sollte und als etwas, das man unbedingt vermeiden und reduzieren möchte?!

Ich schreibe Obiges nicht, um die WU schlecht zu machen, sondern um sie konstruktiv zu kritisieren. Vielen Lehrenden ist sicherlich nicht bewusst, in welcher Welt sie schon gefangen sind. Ich denke, wir sollten diese Sicht der Gegenseitigkeit verlassen und uns wieder auf ein Miteinander konzentrieren. Unternehmen sollten angenehme Orte sein, wo alle wertgeschätzt werden. Das sollten sowohl die Eigentümer, als auch die oberen Führungsetagen schon früh mitbekommen. Das sollte daher auch schon in der Ausbildung passieren. Das muss nicht von oben herab durch Zwang durchgesetzt werden, sondern kann bei jedem Einzelnen von uns schon heute durch eine Einstellungs-, Gewohnheits- und Verhaltensänderung anfangen. Los geht’s!

Kommentare

  1. Da empfehle ich, dich mal mit der Wertbildungsrechnung vertraut zu machen, wie sie z.B. dm betreibt: http://www.oose.de/blogpost/bwl-2-0-betriebswirtschaft-wertbildungsrechnung-wbr-wertschoepfung/

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