Aber es gibt selbstredend auch Kritik. Sehen wir uns ein
paar mögliche Kritikpunkte an:
Mein Guthaben ist deine Schuld
Unendlich viel Geld verspricht jedem persönlich das Paradies
auf Erden. Würde jedoch jeder so viel haben wie er möchte, so würde vermutlich
Geld nicht mehr funktionieren. Geld funktioniert in unserer heutigen Welt nur,
weil es für jeden Einzelnen knapp ist. Weil es eben nicht von jedem beliebig
vermehrt werden kann. Im Gegensatz zur Natur ist Geld jedoch damit ein Nullsummenspiel.
Meine Einnahme ist deine Ausgabe. Deine Schuld ist mein Guthaben. Und
umgekehrt. Wenn man also gierig nach Geld ist, so muss man seine Einnahmen
erhöhen. Damit muss man im Umkehrschluss die Ausgaben von anderen erhöhen. Wenn
man Guthaben anhäufen möchte, so muss man Schulden der anderen Menschen
erhöhen. Deshalb wächst in einem von Gier getriebenen System der Druck auf
alle, die sich schwer wehren können: Auf die ärmsten der Armen, die von
Loan-Sharks dazu überredet werden, Subprime-Kredite aufzunehmen. Oder der Druck
auf staatliche Gemeinwesen, für die sich niemand richtig verantwortlich fühlt.
Das kann einer der Gründe sein, weshalb sich Staaten immer mehr verschulden.
Denn diese Schuld stellt auf der anderen Seite wieder ein Guthaben dar. Beim
Monopolyspiel hat das der Profi schnell erkannt: Das Ziel des Spieles ist
nicht, der Reichste zu werden, sondern alle anderen in die Armut zu drücken. Man
muss alle anderen bankrott machen, damit man selber zum reichsten Spieler wird
und gewinnt. Das funktioniert im Spiel am besten, indem man sich zuerst auf die
unerfahrensten und altruistischsten Spieler stürzt, denn die können am
leichtesten ausgenommen werden. Indem man also seine Gier nach Geld zu
befriedigen versucht, muss man andere zum Ausgeben bewegen und in der
Konsequenz eventuell in den Ruin treiben. Und das geht natürlich am besten mit
denen, die das nicht wissen. Vor diesem Hintergrund muss man auch die
Staatsschuldenkrisen betrachten. Staatsschulden sind immer auch Guthaben auf
der anderen Seite. Schulden zu kürzen würde bedeuten, Guthaben zu kürzen. In
einem Nullsummenspiel kann man nur gewinnen, wenn jemand anderer verliert. Bin
ich gierig nach etwas, das sich aus individueller Sicht nicht beliebig
vermehren lassen kann, so muss ich dieses jemand anderem wegnehmen. Dies ist
eine Konsequenz aus der Gier nach Geld. Um ihr zu folgen muss ich anderen
schaden.
Die Gier und das Wachstum
Wie hängen die Gier nach Geld mit dem Wirtschaftswachstum
zusammen? Der Wirtschaftsphilosoph Karl-Heinz Brodbeck beschreibt diesen
Zusammenhang folgendermaßen. Das Streben nach Geld äußert sich, da es knapp
ist, in der Konkurrenz. Um möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu
erlangen, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:
·
Erstens kann man die Ausgaben senken. Man
verhandelt härter mit Zulieferern. Man kann auch Mitarbeiter entlassen, um so
die Personalkosten zu senken. Steuervermeidung durch Verschiebung der Gewinne
in Steueroasen ist eine weitere Möglichkeit.
·
Zweitens kann man die Einnahmen erhöhen. Höhere
Einnahmen wirken durch entweder mehr verkaufte Stückzahlen oder teurere Preise.
Einnahmen erhöhen und Ausgaben senken führen zu maximierten
Gewinnen und damit zu einer besseren Befriedigung der Geldgier. Nun locken
natürlich die hohen Gewinne neue Wettbewerber an, welche ebenso ihrer Geldsucht
frönen. Neue Unternehmen machen ihren Standort an bereits lukrativen anderen
Standorten auf, Studenten wählen ihre Ausbildung oft nach der Höhe der
möglichen Einstiegsgehälter aus und bei
steigenden Aktienkursen werden mehr Börsengänge durchgeführt und damit wieder
mehr Aktien ausgegeben. Dort, wo hohe Gewinne möglich sind, steigt also die
Konkurrenz. Durch die neue Konkurrenz beginnen jedoch die Preise wieder zu
sinken, so lange, wie keine Gewinne mehr möglich sind – so die klassische
Schulbuchbeschreibung des kapitalistischen Systems. Dennoch sind immer Gewinne
möglich und zwar durch Innovationen: Neue Erfindungen werden kommerzialisiert,
Produktionsprozesse vereinfacht, neue Werbestrategien ausgelotet usw. Durch Innovation
kann man sich seiner Konkurrenz kurzzeitig entledigen und damit wieder Gewinne
einfahren. Doch jede Neuerung hat nur kurz wirtschaftlichen Erfolg, da ja bald
darauf die Konkurrenz startet. Dieser Prozess des ständigen Erneuerns und
Überwindens alter Strukturen wurde vom österreichischen Ökonom Joseph A.
Schumpeter „schöpferische Zerstörung“ genannt. Die ewige Zerstörung hat
natürlich auch den Fortschritt ermöglicht. Aber sie führt eben auch zu
Wachstum. Denn Unternehmen können entweder wachsen, indem sie Neues auf den
Markt bringen, oder indem sie mehr vom Selben produzieren und damit der Preis
pro Stück sinkt. Somit führt die Geldgier zu immer größerem Wachstum. Erstens
durch den Wunsch, Gewinne zu machen. Zweitens durch den damit einhergehenden Konkurrenzdruck.
Drittens durch die verbundenen Innovations- und damit Wachstumsstrategien. Wenn die Geldgier auf
Grenzen stößt, so wird versucht, diese umzustoßen. So breiten sich Wirtschaftsräume
immer weiter aus - siehe zum Beispiel EU-Erweiterung oder das
Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA. Oder die die Verwertungssucht
eingrenzende Gesetze werden durch Lobbying versucht zu ändern. Oder aber man
dringt in Bereiche wie Genmanipulation oder gar Mondgrundstücke vor und
probiert, damit zu Geld zu kommen. Die globalen Auswirkungen dieses Wachstums
werden wir bald zu spüren bekommen. Wenn durch den Klimawandel die Meeresspiegel
steigen beispielsweise und damit immer mehr Menschen ihren Lebensraum verlieren
und auswandern müssen. Oder wenn man die Luft in den Städten nicht mehr
arbeiten kann. Spätestens wenn die letzten Eisbären nur noch im Zoo zu
bewundern sind sollten wir merken, dass wir mit der Geldsucht zu weit gegangen
sind.[1]
Diese Blogreihe versucht der Gier nach Geld auf die Spur zu kommen! Der vierte Teil ist hier zu finden!
[1]
Vgl. Liessmann, Konrad Paul [Hg.]: Philosophicum
Lech. Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält? Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2009, S.229 – 233.
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