Die Zukunft des öffentlichen Verkehrs

Wenn der Individualverkehr ein Computer wäre, dann wäre es vermutlich ein Apple. Der öffentliche Verkehr hingegen wäre ein PC.

Metro Station, Osaka Japan

(Quelle: http://www.flickr.com/photos/ivanwalsh/4624198454/)


"Verkehr ist eine Dienstleistung zur Distanzvernichtung oder Raumüberwindung von Personen". Dies scheint das Credo der öffentlichen Verkehrsbetriebe zu sein. Ähnlich trocken könnte eine Definition des öffentlichen Verkehrs generell lauten. Beim öffentlichen Verkehr steht der Effizienzgedanke im Vordergrund. Er muss funktionieren. Wenn die U-Bahn einmal fünf Minuten nicht kommt, ist das schon ein großes Problem. Gott sei Dank funktioniert der öffentliche Verkehr im großen und ganzen auch. Aber das ist dann auch schon alles. Das ist auch alles, was man als Fahrgast erwartet. Mit den Öffis erwarten wir, wohin zu gelangen. Sie sind Mittel zum Zweck.

Die Art, wie mit diesen Verkehrsmitteln umgegangen wird, erinnert mich ein wenig an die Anfänge des motorisierten Individualverkehr. Auch bei diesem stand am Anfang nur die Raumüberwindung im Vordergrund.



Das Modell T von Ford, eines der ersten Autos in Massenproduktion, war schwarz und konnte nur in dieser Farbe bestellt werden. Erst die Konkurrenz und die Sättigung der Märkte brachte die Autobranche dazu, umzudenken. Die ersten farbigen Autos wurden gebaut, es entstanden Luxusmarken. Autofahren wurde immer bequemer (man denke nur an automatische Fensterheber oder Sitzheizung). Auch in den Werbungen stand nicht mehr die Distanzvernichtung im Vordergrund, sondern der Spaß am Fahren, der Unterhaltungswert und das Erlebnis. In manchen Autowerbungen sieht man sogar gar kein Auto mehr, wie in dieser Werbung mit einem meiner Lieblingskünstler Theo Jansen:



Im öffentlichen Verkehr schien man die Entwicklung dieser Konkurrenz nicht vorherzusehen. Heutzutage ist es einfach so, dass die U-Bahn mit dem Fahrrad und dem Auto, das Flugzeug mit der Bahn oder gar dem Schiff (Wenn man an den Twin-City Liner denkt) konkurrieren. Jeder scheint hier mit jedem zu konkurrieren. Nur: zu vielen öffentlichen Betreibern scheint dies noch nicht durchgedrungen zu sein. Öffentlich unterwegs zu sein ist einfach oft ein Graus. In der U-Bahn trifft man auf Leute, die man eigentlich lieber nicht treffen möchte. Auf dem Flughafen ringen sie einem sämtliche Wasservorräte ab unter dem Vorwand, man könnte doch eine Bombe daraus basteln, bevor sie einen durch den Nacktscanner schicken unter dem Vorwand, dass sie einen gerne nackt sehen. Man kommt am gewünschten Ziel an, jedoch meistens erschöpft und mit Kopfschmerzen. Auch hier heiligt der Zweck der Raumüberwindung die Mittel der Selbsttortur nicht.

Deswegen denke ich, dass die Zukunft des öffentlichen Verkehrs woanders liegt, als immer nur die Effizienz zu steigern. Öffentliche Verkehrsbetriebe müssen umdenken.
  • Wenn öffentliche Verkehre schon öffentlich sind, dann sollten sie auch Raum für sinnvolle Begegnungen sein. Der öffentliche Raum war immer schon ein Ort der Begegnung. Man geht in ein Café, weil man dort Menschen trifft. Man geht in ein Lokal auf der Suche nach einem Partner. Sokrates stellt sich auf den öffentlichsten Raum des alten Athen, den Marktplatz, um seine Lehren zu verbreiten und noch rund 2500 Jahre danach spricht man von ihm. Die Öffis sollten diese Öffentlichkeit fördern, anstatt sie durch riesige Durchzugsräume, in denen musizieren verboten ist, zu behindern. So wäre zum Beispiel eine Idee, eine Bühne in einer U-Bahnstation einzurichten. U-Bahnfahren muss einfach wieder gemütlich und zum Erlebnis werden.
  • Weiters könnte man zumindest die Chance einer Individualisierung schaffen. Viele Massenprodukte schaffen den Sprung zur Individualisierung (Wie ich das in einem anderen Blogpost zur Personalisierung des Buches beschrieben habe). So müsste es doch irgendwie möglich sein, Benutzern von öffentlichen Verkehrsmitteln zumindest das Gefühl der Individualisierung zu geben.
  • Öffentliche Verkehre zu benutzen, muss wieder cool werden. So, wie viele es cool finden, einen Porsche zu fahren, müsste es auch cool sein, öffentlich unterwegs zu sein. Es müsste mit einem Lebensgefühl verbunden sein. Dies kann man sicherlich auf andere Wege erreichen, als ganze Züge mit Werbung vollzupflastern. Man müsste aus einem öffentlichen Verkehrsmittel aussteigen und sich denken: Das hat Spaß gemacht! Nochmal!
Eines ist klar: Diese Vorschläge sollten zusätzlich zur oben genannten Effizienzsteigerungsdoktrin durchgeführt werden. Denn auch wenn öffentlich unterwegs zu sein wieder ein Genuss wird, möchte man doch irgendwann zuhause ankommen.

Welche Möglichkeiten gäbe es noch, die Öffis cooler, gemütlicher, individueller und erlebnisreicher zu machen?

Kommentare

  1. Du liegst genau im Trend. Menschen werden sich vom Ich zum Wir entwickeln. Gemeinsam reisen wird das Distanzüberwinden zur positiven Lebenswelt werden lassen.
    Distanzvernichtung - was für ein katastrophal destruktives Wort.
    Für mich ist reisen Lebensqualität. Ich verdanke der Distanz z.B. die Qualität, Abstand zu gewinnen. Was wäre ein Urlaub in Griechenland ohne die Anreise? Aber nur, wenn wir sie nützen. Ich reise gerne.

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  2. Interessantes Projekt, das in die Richtung geht: Der Hotel-Train:
    http://www.tip-online.at/opa/?id=441

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  3. Es gibt einen U-Bahnfahrer, der zwischendurch über die Lautsprecher einen schönen Tag wünscht. Einige Male hat er mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Schade, ich habe ihn schon lange nicht mehr gehört...

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  4. Bei uns in Münster gibt es einen Busfahrer, der jeden neu einsteigenden Fahrgast überschwenglich freundlich begrüßt, sich für jeden Fahrausweis bedankt und sich darüber freut und jedem eine gute Reise wünscht. So macht Busfahren definitiv Spaß und ist nicht so anstrengend.

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