Geld ist kein Ding

Im Forum der Österreichischen Hochschülerschaft fand eine interessante Diskussion statt. Ich hatte dort auf meinen Artikel über den Vorschlag zur Entschuldung Österreichs verlinkt, um darüber mit den WirtschaftsstudentInnen zu diskutieren. Vermutlich bedingt durch die Ausbildung auf der WU kamen nur Standardantworten wie "Der Staat muss sparen", "Das führt zur Hyperinflation" oder "Die faulen Bürger haben über ihren Verhältnissen gelebt".
Ich versuchte, dahin vorzustoßen, wo meiner Meinung nach das Problem liegt, nämlich im Geldsystem. Die ganze Diskussion beruhte jedoch auch auf einem Missverständnis. Geld wird als Ding gesehen - was es nicht ist.

Dass Staatsschulden nichts mit dem Geldsystem zu tun hätten stimmt nämlich nur dann, wenn Geld ein Ding wäre. Geld ist jedoch kein Ding, kein Gegenstand.
Hier muss ausgeholt werden, denn was meine ich mit "Ding", oder "Gegenstand"? Was ist überhaupt ein Gegenstand? Selbstverständlich könnte man empiristisch sagen, Gegenstände werden nur durch unser Denken zu diesen. Denn es sind unsere Gedanken, die die Sinneseindrücke ordnen und das Chaos um uns herum in Dinge ordnet. So gesehen wäre Geld ein Gegenstand, denn wir nehmen es wahr und haben einen Begriff dafür. Die Unterscheidung zwischen Information und Gegenstand, die ich hier verwende, ist eine schwammige, das gebe ich zu. Es reicht jedoch, von intuitiven Bedeutungen auszugehen, um zu interessanten anderen Gedankengängen zu kommen, abseits von universitären, dogmatischen Standardantworten.

Etwas unterscheidet nämlich Geld von Gegenständen. Materialistisch gesprochen kann man eine Abwandlung des Prinzips der räumlichen Exklusion anwenden. Was bedeutet das? Physische Gegenstände zeichnen sich demnach dadurch aus, dass keine zwei Gegenstände zeitgleich am gleichen Ort sein können. Physische Gegenstände haben eine Einheit. Wenn ich einen Gegenstand besitze und ich borge ihn her, dann hat die andere Person den Gegenstand und ich habe ihn nicht mehr. So war es auch mit Goldstücken. Es ist dies der Gedanke des Warengeldes. Wenn ich dir einen Kredit gegeben habe, so habe ich dir mein Geldstück gegeben und hatte es selber nicht mehr. Wenn du kein guter Kreditnehmer warst, dann war das zu meinem Nachteil, weil ich dieses Goldstück nie mehr wieder bekam. So gesehen war Vertrauen wichtig für einen Kredit, was auch die etymologische Entwicklung des Wortes darlegt. Es schwingt auch hier eine moralische Komponente mit. Wenn man seinen Kredit nicht zurückzahlt, missbraucht man das Vertrauen des Kreditgebers, schadet ihm und wird deshalb moralisch geächtet.

Das Problem des heutigen Kreditgeldsystems ist, dass für dieses obiges Prinzip nicht zutrifft. Geld wird buchungstechnisch erzeugt, mittels Bilanzverlängerung. Es sind nur Zahlen in einem Computer. Es sind Informationen. Diese können auch aufgeschrieben werden, denn Papier ist bekanntlich geduldig. Das nennt man dann Banknote. Geld ist kein Ding, sondern eine Information, die einen Gegenstand simuliert. Ein Geldschein täuscht vor, dass Geld ein Ding ist, das knapp ist und weitergereicht werden muss. In Wirklichkeit ist er nur bedrucktes Papier.
Tatsächlich entsteht Geld gleichzeitig mit der Kreditvergabe, durch einen Klick mit der Computermaus. Es trifft nicht mehr zu, dass derjenige, der den Kredit vergibt, seinen Gegenstand hergibt und darauf verzichten muss. Es trifft auch nicht zu, dass jemand anderer auf diesen Gegenstand verzichten muss, damit ihn jemand verwenden kann.

Dies belegt auch eindrucksvoll ein Gerichtsurteil aus den USA aus dem Jahr 1969, bei dem ein Kreditnehmer genau so argumentierte und auch gewann. Er belegte, dass es sich bei der Kreditvergabe um ein Schaffen von Geld aus der Luft handelt und dass deshalb auch keine Zinsen darauf verlangt werden dürften. Geld ist eben kein hergeborgter Gegenstand, sondern eine notierte Schuld, die durch einen Geldschein, also bedrucktes Papier, repräsentiert wird. Warum sollte eine Bank Zinsen auf etwas verlangen dürfen, was sie vor der Kreditvergabe nicht besessen hatte?

Was hat das nun mit den Staatsschulden zu tun?
Vor diesem Hintergrund bekommt die Frage nach Ratingagenturen und Vertrauen eine andere Bedeutung. Muss man jemanden, der Geld nicht zurückzahlt, in diesem System wirklich verurteilen? Kann man überhaupt etwas zurückgeben, was erst durch den Gebensakt entstanden ist? Ist umgekehrt Eigentum an dieser Information legitim?
Ist es wirklich die so oft proklamierte Faulheit der Griechen, die man moralisch verurteilen muss? Oder ist die Ursache nicht eher die Auswirkung eines Informationssystems, das Ungleichheiten und Knappheiten simuliert? Wenn man Geld nicht mehr als Gegenstand betrachtet, kommt man auf ganz andere Antworten...
Auch die Rolle der Ratingagenturen wird fragwürdig. Die ursprüngliche Idee ist an sich nicht schlecht. Institutionell wird geprüft, ob ein Kreditnehmer vertrauenswürdig ist, ob er also den Gegenstand zurückgeben wird können. Wie verhält es sich aber, wenn es sich gar nicht um einen Gegenstand, sondern um Information handelt? Wie kann man berechnen, ob jemand konkurrenzfähiger ist, sprich, ob er die Informationen besser an seine Seite ziehen wird können? Und: Ist dieser jemand überhaupt moralisch zu verurteilen, wenn er das nicht kann, was systemimmanent verhindert wird?

Ratingagenturen vertreten deshalb vorsichtshalber, was sie selbst schon zugegeben haben, nur ihre eigene Meinung und führen keine Berechnung oder professionelle Schätzung durch. Ihnen bleibt angesichts obiger Erklärungen auch nichts anderes übrig. Jedoch was machen Ratingagenturen? Sie sagen: Unserer Meinung nach sollte Griechenland für das Geld, das unsere Freunde - die Banken - schaffen, mehr Zinsen zahlen. Sie verurteilen willkürlich einen Wirtschaftsteilnehmer, denn auf Berechnungen stützen sie ihre Meinung nicht. Sie helfen mit, ein schwarzes Schaf herauszupicken, nein, sie definieren dieses Schaf als schwarz und führen es zu Schlachtbank. Eigentlich müsste Griechenland die Ratingagenturen wegen Rufmords verklagen!

So gesehen muss überdacht werden, ob unsere moralischen Bewertungen, die noch aus der Zeit der Gegenstände stammt, mit einem Geld als Informationssystem noch legitim sind. Ob es wirklich die Griechen sind, die moralisch zu verurteilen sind?!
Wenn das Geldsystem ein Informationssystem ist, dann müssen wir nur seine Regeln verändern, um unsere Gesellschaften zu ändern.

Auch die Frage nach dem Sparen müsste anders gehandhabt werden. Frage an die Leser: Was verändert sich beim Sparen, wenn Geld kein Gegenstand mehr ist, den man besitzen kann, sondern nur noch Information?

Kommentare

  1. Das Gericht urteilte mEn falsch, wenn sie dieser Begründung stattgab, da eine Schuldurkunde immer gegen das Eigentum des Schuldners gerichtet ist, womit der Gläubiger ein Verlustrisiko trägt.

    Desweiteren kam es historisch durch die Diskontierung eines Schuldpapiers zur Zinsbildung:

    A leiht sich bei B 1000. Termin 5 Jahre. Nun kann B nicht 5 Jahre warten. Er will nach 1 Jahr an "sein" Geld. Bei A kann er nichts holen (Termin). Also muss er einen C usw. finden. Der gibt ihm 800 und wartet den Termin ab. Die 200 sind sein "Zins", also 25 % für die restliche Laufzeit, die er warten kann. So kommt es aus zinslosem zu "verzinstem" Betrag.

    So in zahlreichen alten Tontafel-Urkunden aus Mesopotamien.

    Gruß!

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  2. @tar
    mit Verlaub, Sie haben den Kern der Aussagen nicht erfaßt. Das Gericht scheint kein Problem mit Zinsen i.a. zu haben. Wenns Sie jemandem etwas leihen (z.B. Geld) ist es moralisch/rechtlich i.O. wenn Sie dafür eine Gebühr erwarten und dies so mit dem Leiher vertraglich vereinbaren. Nicht so, wenn Sie etwas verleihen, was Sie zuvor garnicht besessen haben. Hier gehts um Zinsen auf AUS-DEM-NICHTS-geschaffenen Geld! Und diese Zinsen kann der Schuldner, wenn er nicht zufällig selbst eine Bank ist, nicht aus dem nichts schaffen, sondern Zinsen müssen von jemand anderem Kaufkraft abgeluchst werden. Unter Systembetrachtung ein Ding der Unmöglichkeit. Der Effekt: übersteigt die Kreditvergabe ex-nihilo das Wertschöpfungspotential -und das ist definitiv der Fall!- sind gesellschaftliche Verwerfungen vorprogrammiert. Moralische Bedenken an dieser Art der Geldschöpfung sind also mehr als angebracht.

    @Verfasser
    Eine philosophische Betrachtung tut sicher not. Dieses Geldsystem funktioniert nicht (auf Dauer). In absehbarer Zeit ist mit einem Reset (Währungsreform?) zu rechnen. Dann drängt sich die Frage auf: "Nochmal von vorn bis zum nächsten Crash ODER weg vom Fiatgeld hin zu einem besseren Geldsystem?".

    Ich sehe hier nur 2 Möglichkeiten:
    a) wir werden vernünftig, klären uns auf und wenden uns einem anderen Geldsystem zu. Alternativen gibts ja genug, die allesamt nicht schlechter sind als unser Geldsystem
    b) wir werden uns irgendwann damit auseinander setzen MÜSSEN, weil andere uns wirtschaftlich im Regen stehen lassen, eben weil sie für sich früher als wir etwas geändert haben. Hier denke ich vor allem an das islamic banking, das m.E. aus moralischer Sicht derzeit konkurrenzlos ist. Noch stehen deren Verfechter im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuß: Libyen, Pakistan, Iran. Wenn uns aber das Geld für Bomben ausgeht, wird das islamic banking mindestens im asiatischen und afrikanischen Wirtschaftsraum schnell viele Freunde finden. Und uns geht das Geld für Bomben aus, weil wir ein schlechtes Geldsystem haben, das daran ist das Zeitliche zu segnen.

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  3. wir haben alle Erfahrungen zu einem idealen Geldsystem erschaffen - nur ein kleiner Schritt fehlt......... der GLAUBE dass für alle genug da ist.

    Solange die Menschheit an die Knappheit glaubt wird sie ein Geldsystem erschaffen das auf Verknappung basiert.

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  4. Danke an die vorherigen Poster!

    Ich denke, Anonym hat gut auf tars Post geantwortet. Wobei der Blick aufs Eigentum natürlich auch neue Perspektiven eröffnen kann, siehe zum Beispiel das nicht zu verachtende Buch "Eigentumsökonomik" von Heinsohn/Steiger.

    @Anonym: Ja, die Alternativen liegen alle relativ fertig auf dem Tisch. Ob es jetzt Vollgeld, Schwundgeld, Abschaffung des Zinses, eine Kombination dieser Möglichkeiten oder gar Abschaffung des Geldes ist...
    Die Frage ist natürlich, wie diese Alternativen Realität werden?!

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  5. Hallo Patrick Seabird,

    es ist wohl tar aus dem Gelben. Die Jungs sind i. Gr. u. G. schon okay da. Manchmal ist dort ein wenig Hybris im Sinne von Übermut zu Gast. Aber es sei den Jungs und Mädels dort gegönnt, weil sich da schon ganz schön viel Wissen versammelt hat.

    Der Einwand von Anonym ist absolut berechtigt. Unser Problem ist die private Geldschöpfung mit Schuldzins. Eine Monetative wäre mal einen Versuch wert. Banken dienen wieder als Sammelstellen und Risikopuffer zw. Kreditgeber und -nehmer. Klassisches Bankgeschäft eben.

    Wie wir dahin kommen? Entweder etwas gemächlicher unter einer Diktatur, oder mit brachialer Gewalt als GO?


    VG aus Sachsen

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