Bitcoin und Rheingold - Komplementärwährungen im Vergleich

Es war ein Tag wie jeder andere, als plötzlich eine Buchbestellung für mein Buch "Vernunft der wirtschaftlichen Kritik. Die wirtschaftsphilosophische Wende" hereinkam. Das Besondere: Der Käufer bot mir keine Euro, sondern Rheingold dafür an. Ich habe schon viel Theoretisches über Regionalwährungen gelesen. Auch etliche meiner Blogposts handeln von Geldtheorie. Doch wirklich in der Praxis mal von diesem Phänomen berührt zu werden, ließ mein Blut in Wallung bringen.

Rheingold - eine Regionalwährung
Ich hatte zuvor noch nie von dieser Regionalwährung gehört, willigte jedoch sofort ein. Der Käufer bot mir 26 Rheingold an. Nachdem ich mich online angemeldet hatte, waren diese auch sofort überwiesen. Gleichzeitig hatte ich auch hundert Rheingold sofort selber geschaffen. Dies ist das Besondere an dieser Währung. Jeder schafft selber einen Teil davon. Dadurch, dass sie nicht durch Kredit geschaffen wird, wird versucht, der Zinseszinsfalle, die unserem derzeitigen herrschenden Geldsystem inhärent ist, zu entgehen. Gleich zu Beginn wurden mir auch 27 Rheingold wieder abgezogen von meinem Konto. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass aus dieser Seignorage die Druckkosten bezahlt werden. Denn man kann sich auch angreifbare Rheingold-Scheine zukommen lassen, sogar mit eigenem Motiv darauf.
Ein Blick auf die Homepage zeigte gleich, dass die Währung auch zum Beispiel von Professor Heinsohn unterstützt wird. Rheingold glänzt vor allem durch die unbürokratische Handhabung und dem, trotz der geografischen Distanz vorhandenen Gemeinschaftsgefühl.
Rheingold - too cool for fiat money
Mittlerweile bin ich also ebenfalls Rheingolder, wurde im Rheingoldblog beworben und meine Publikationen können mit Rheingold bezahlt werden. Als ich auf die Idee kam, einfach mal mit Rheingold bei jemand anderem einzukaufen wurde mir schlagartig eines bewusst: Was, wenn ich alle Rheingold ausgegeben habe? Wie komme ich zu neuen? Hier wurde mir etwas klar, was ich zwar schon immer gewusst hatte, nie jedoch so aktiv erfahren hatte. Eine Währung dient nur dem gegenseitigen Austausch. Ich bekomme nur neue Rheingold, wenn ich irgendetwas der Rheingoldgemeinschaft anbieten kann.

Thomas H. Greco unterscheidet in seinem brillianten Buch The End of Money and the Future of Civilization auf Seite 88 zwischen drei Arten, wodurch ökonomische Werte von Hand zu Hand gehen:
  • Geschenke
  • Unfreiwillige Transfers und
  • Gegenseitiger Austausch
  • (Ich würde noch den generalisierten Tausch hinzufügen, bei dem die Grenze zwischen gegenseitigem Tausch und Geschenk verwischt ist)
Die Erfahrung mit Rheingold stürzte mich gleich in eine kleine Depression: Habe ich der Gemeinschaft wirklich "nur" meine Publikationen anzubieten? Wenn ich jetzt um 70 Rheingold einkaufen gehe, wie bekomme ich diese jemals wieder herein? Es war das erste Mal, dass ich die von Greco den Währungen zugesprochene Funktion des gegenseitigen Austauschs zu spüren bekam. Geld ist eben kein Geschenk, sondern dient dem Austausch.

Folgende Probleme sehe ich noch mit dem Rheingold:
Erstens ist Rheingold noch im Verhältnis 1:2 an den Euro gebunden. Das Problem: Wenn der Euro inflationiert, inflationiert auch Rheingold. Dies hängt auch mit dem zweiten Problem zusammen. Als normaler Teilnehmer weiß man nicht, wieviel Rheingold bisher geschaffen wurden. Wäre Rheingold nicht mehr an den Euro gebunden, wäre es schwer vorherzusagen, was mit der Währung passieren würde. Weiters ist dieses Regiogeld eben eine Regionalwährung. Wenn ich damit in Wien einkaufen gehe, finde ich keine Geschäfte, die es annehmen. Dazu müsste es vermutlich Donaugold heißen. Des weiteren nimmt Rheingold an, dass die Wirtschaft ein Kreislauf ist, was problematisch ist.

Nichtsdestotrotz ist das Rheingold eine interessante Entwicklung und kann, sollte es wirklich zu einer Euro-Krise kommen, als schnell vorhandene und schon funktionierende Währung einspringen.

Bitcoin - eine weltweite Komplementärwährung

Den zweiten Kontakt, den ich mit Komplementärwährungen herstellte, war mit Bitcoin. Bitcoin ist eine anonyme, dezentralisierte, auf opensource-Code basierende internationale Währung.
Die Funktionsweise wird in folgendem Video erklärt:



Der Unterschied zu Rheingold ist, dass Bitcoin knapp und absichtlich deflationär gehalten wird. Es lässt sich gleich die Frage stellen, ob ein deflationäres Geld überhaupt die Möglichkeit hat, in Zirkulation zu gelangen oder ob es einfach nur gehortet wird.
Als ich im Internet recherchierte wurde mir schlagartig klar: Diese Währung funktioniert bereits. Man kann auf manchen Seiten Dollar gegen Bitcoin und Bitcoin gegen Euro tauschen. Bereits heute kann man mittels Bitcoin Geld an einen Verwandten in den USA überweisen. Und das in Sekundenschnelle, ohne eine Bank zu verwenden, ohne sich irgendwo anzumelden.
Wenn Geld ein enormer Fortschritt war gegenüber direktem Tausch, so ist Bitcoin oder ein ähnliches System der nächste Schritt in die Zukunft.
Es gibt sogar schon Händler, die gegen Bargeld Bitcoin tauschen. Ein idealer Weg, um Geld anonym um die Welt zu schicken, sollte man das wollen. Und da das System auf opensource basiert, kann es schnell angepasst werden. So kann man sich vorstellen, dass bald apps programmiert werden und bald damit auch in Geschäften gezahlt werden kann.
Das interessante: Die Entstehungskurve von Bitcoin ist eine der wenigen Kurven unseres Systems, die nicht exponentiell verläuft, siehe diese Grafik. Ich deute das als ein erstes Anzeichen eines Paradigmenwechsels.
Spannend ist auch, dass hinter der Entstehung von Bitcoin anonymous stehen soll. Man wird sehen, wie schnell diese Währung angenommen werden wird. Zwar ist es möglich, dass Staaten versuchen werden, diese Entwicklung aufzuhalten. Da jedoch die Software jedem zugänglich ist und schon so weit verbreitet ist, wird es schwierig bis unmöglich werden, diese Idee zu stoppen. Es könnte dies das Ende konventioneller Banken und damit auch Währungen einläuten.


Mit Bitcoin sehe ich folgende Probleme:
Der Entstehungsprozess ist nicht ganz durchsichtig. Er basiert irgendwie auf einem Algorithmus. Wer im Endeffekt die Bitcoins bekommt, ist dank der Anonymität des Systems nicht herausfindbar. Es kommt jedoch dem Erstverwender einer Währung enormer Einfluss zu. Dieser kann damit zuerst Leistungen einer Gesellschaft beziehen. Ob und wie dieses System beeinflussbar ist, kann nicht kontrolliert werden (was jedoch bei keinem anderen Währungssystem bisher der Fall ist). Gerade die Anonymität ist ein weiterer Kritikpunkt. Ich bin eher ein Verfechter der Transparenz. Ein anonymes System öffnet Geldwäsche und Steuerhinterziehung Tür und Tor.
Weiters ist oben erwähnte deflationäre Tendenz problematisch. Es wäre vorstellbar, dass sich einige Spekulanten auf die Währung spezialisieren und damit seinen Preis in die Höhe schießen lassen. Vielleicht wird dann eine zusätzliche Währung, basierend auf der gleichen Technologie, aber versehen mit einer Umlaufsicherung notwendig.

Beide Währungen, Rheingold und Bitcoin, sehen trotz ihrer Problemchen als vielversprechend aus. Meine persönliche Prognose lautet, dass wir mit diesen zwei Beispiele eine Entwicklung erleben, die unsere Welt mehr verändern wird, als sie bisher schon durch das Internet geändert wurde. Bald werden solche Systeme nicht mehr Komplementärwährungen, sondern tagtägliches Geld sein.

Kommentare

  1. Ich bin zuversichtlich, dass diese Entwicklungen auch schon Übergangslösungen für die Zeit nach dem Geld sind. Eine Menge an Komplementärwährungen, Alternativwährungen usw., die teilweise der hoheitlichen Kontrolle entzogen sind.
    Dadurch könnte das Chaos nach dem Zusammenbruch des Geldsystems (Euro/Dollar/Öl usw.) verhindern.

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  2. bin gerade auf den sehr interessanten blog gestoßen und möchte auf ein konzept und die umsetzung eines alternativen/komplementären geldsystems das mir sehr sympathisch ist hinweisen. dabei wird das geld persönlich als bedingungsloses grundeinkommen bzw vom staat statt den steuern geschöpft. die umlaufsicherung wird durch eine vergänglichkeit des geldes sichergestellt.
    http://gradido.net/Gradido.Team/c/1/dankbarkeit

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    1. Hallo Patrick,
      Da mir nicht klar ist, ob oben angegebener Link eventuell schon damals nicht funktionierte, und Gradido - die natürliche Ökonomie des Lebens absolut empfehlenswert ist, auch und speziell in Sachen Komplementärwährung, habe ich Dir und allen anderen Interessierten meine persönliches "kurzes" Statement zu Gradido hierherkopiert und hoffe mein Link als Adressat funktioniert:

      Das von Bernd Hückstädt in „Gradido“ beschriebene ganzheitliches Geld- und Wirtschaftssystem ist der perfekte Weg zu weltweitem Wohlstand und Frieden und dies auch noch in Harmonie mit der Natur. Das System fördert, durch seinen derzeit vielleicht vollendetsten Ansatz überhaupt, nicht nur die Nachhaltigkeit sondern wird langfristig die Umweltzerstörung beenden und dient auch noch allen Menschen auf unserer Erde gleichermaßen.

      Das bestechende an diesem Buch ist, dass es sowohl unkompliziert und undogmatisch ist, als auch frei von Schuldzuweisungen. Das beschriebene System will niemanden enteignen, kann jeden mit ins Boot nehmen und niemand braucht zu befürchten, dass die Lichter ausgehen, wenn Gradido Wirklichkeit geworden ist. Es kann und darf weiterhin auch Luxus und HighTec geben, nur wird das, wie überhaupt Alles andere auch, auf naturverträgliche Art und Weise produziert werden und dies mit humanen Produktionsbedingungen bei gerechten Löhnen. Einfach paradiesisch aber trotzdem absolut real; sprich genial.

      Dieses Buch ist ein absolutes MUSS für jeden Menschen, der erkannt hat, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann, und der nach einem friedlichen Weg für einen Neuanfang gesucht hat, wo er oder sie sogar selbst mitmachen kann. Und zwar einfach wirklich JEDER kann das!!!

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  3. Bitcoin entwickelt sich schon weiter:
    http://www.bluishcoder.co.nz/2011/05/12/namecoin-a-dns-alternative-based-on-bitcoin.html

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  4. na da meld ich mich dann auch gleich mal an :-)
    Es gibt ja mittlerweile schon unzählige solcher Komplementärwährungen. Ich freue mich auf den Tag an dem jedes dieser Systeme anfängt sich miteinander zu vernetzten.
    Sodass z.B Rheingold in Lindentaler gewechselt werden kann, das mit Rheingold auf den Marktplatz von Lindentaler zugegegriffen werden kann.
    Spätesten dann hat der Euro abgedient :-)

    Hast du bereits Erfahrung mit bitcoins gemacht?

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    1. Lieber befree!

      Ja, es bleibt spannend was die Komplementärwährungen anbelangt!

      Meine Erfahrungen mit Bitcoin kannst du in folgenden Posts nachlesen:
      Praktische Erfahrungen mit Bitcoin

      Interview über Bitcoin

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  5. Ich halte Bitcoin für eine äußerst gefährliche Entwicklung.

    Alles, was mit Software zu tun hat, ist prinzipiell nicht fälschungssicher.

    Es heißt, dass die Software open source ist. Ja gut, und?

    Das kann auch bedeuten, dass sich jeder, ähnlich wie bei Linux seinen eigenen Kernel basteln kann und damit vielleicht etwas simuliert, was so nicht gewollt ist.

    Auch könnten Kriminelle physische Rechner per Software vortäuschen und sich damit und gefälschter Software Vorteile verschaffen.

    Den Aufwand bei der Erzeugung als Maßstab für die Wertigkeit zu betrachten, kann nur ein Karnevalsscherz sein.

    Ganz abgesehen davon, wie Bitcoins entstehen. Wie entstehen sie eigentlich genau? Genau sagt das eben keiner.

    Entstehen sie, weil ich will, dass sie entstehen?

    Gibt es eine Instanz vergleichbar mit einer Zentralbank oder einer Kreditgeld schaffenden Bank, die sagt, nun machen wir mal 1000 Bitcoins und schreiben sie dem Bitcoinkonto mit der Nummer x zu?

    Was was wäre, wenn das verstärkt gemacht würde?

    Dass Bitcoins offensichtlich gegen "normale" Währungen getauscht werden können, also konvertibel sind, stellt sich die Frage, wie verhindert wird, dass z. B. Trillionen von Schrottwährungen-Fiat-Währungen (US-Dollar, Euro, Yen...) ins System kommen und damit einen Inflatationschub auslösen, also im Grunde genaz das erreichen, was vermieden werden soll?

    Fazit: Bitcoins kann vielleicht für einige eine Möglichkeit sein, online Geld zu managen, vielleicht die, die die Paypal aus politischen Gründen gesperrt hat. Aber wer sagt, dass das mit Bitcoin nicht auch irgendwann passiert?

    Bitcoin sollte sich keinesfalls auf breiter Front durchsetzen, allein schon der Sicherheitsaspekt stellt mehr als genug Fragenzeichen.

    Darüberhinaus ist damit jede Transaktion nachvollziehbar, für mich ein sofortiges KO-Kriterium, da es der Überwachung Tür und Tor öffnet.

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